Dieser Beitrag ist entstanden für ein Heft des Loccumer Pelikan mit dem Schwerpunktthema “Religion und Musik”. Unser Liederbuch “Kommt und singt”  kommt fast überall gut an, allerdings hört man vereinzelt auch die Nachfrage: Warum habt ihr nicht viel mehr neue Lieder aufgenommen? Das meiste, was neu ist, ist doch selbst schon wieder ziemlich alt. Abgesehen davon, dass es ziemlich viele neue, auch nagelneue Lieder gibt, hat das durchaus gute Gründe, die ich hier gerne noch einmal zur Diskussion stelle. 

Welche Rolle spielt die evangelische Tradition in aktuellen Liederbüchern?

Früher gab es im Religionsunterricht – sicher nicht nur in Baden-Württemberg – verpflichtende Lernlieder. Jedes Kind musste diese auswendig lernen. Ich selbst habe noch als Vikar brav „Jesu geh voran“ mit meinen Grundschülern gesungen und bin dabei wie vom Ausbildungspfarrer gelernt über Tische und Bänke gestiegen. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass dieses Lied gut ankommt und die Kinder es auch bei Beerdigungsfeiern mitsingen können. Lebendige Tradition, auf der Gitarre gepflegt.

Irgendwann wurden die Lernlieder abgeschafft, jeder greift heute zu seinen Lieblingsliedern und legt sie auf den Kopierer. Kallauch und Co. lassen grüßen mit sympathischen und gut produzierten Liedern. Die große pädagogische Freiheit begann und sie hat tatsächlich viele Vorzüge. Nur gibt es beim Singen ein immer größer werdendes Problem: Die Schnittmengen von vertrauten Liedern werden kleiner, schon zwischen verschiedenen Klassen und Konfi- oder Jugend-Gruppen, erst recht zwischen den Generationen. Bibel und Gesangbuch galten einmal als die zwei wichtigsten Bücher eines evangelischen Christenmenschen. Tempi passati. Die gefühlte Halbwertszeit vieler Lieder, die heute gesungen werden, ist dreieinhalb Jahre.

Zumindest in Württemberg wollten wir diesem Trend etwas entgegensetzen. Ausgehend vom Arbeitsbereich Gemeindepädagogik im PTZ Stuttgart entstand die Idee, eine Liste mit Kernliedern zu definieren. Diese 33 Kernlieder wurden 2006 beschlossen, die Idee hat Nachahmer in ganz Deutschland gefunden bis in die Schweiz hinein. Und tatsächlich hat sie orientierend gewirkt: „Das Liederbuch“ (Hg. Gottfried Heinzmann, Hans-Joachim Eißler) bietet genauso fast alle Kernlieder wie das 2015 erschienene Liederbuch für Kinder „Kommt und singt“.

Für die Überarbeitung des Kinder-Liederbuch-Klassikers „Liederbuch für die Jugend“, der noch aus einer Zeit stammt, als die Jugend mit der Konfirmation endete, haben wir uns viele Liederbücher angeschaut und gemerkt, dass die Tradition in ihnen keine besonders große Rolle spielt. Am Ende haben wir uns immer mehr am großen, evangelischen Liederbuch orientiert. Noch enger als bisher ist der Aufbau an das große Vorbild angelehnt. Zu jedem Thema sind klassische Choräle enthalten. Tradition braucht Pflege und Konservation. Das schließt neue Lieder gar nicht aus, aber es beinhaltet die Pflicht, alles aus früheren Zeiten zu prüfen und das jeweils Beste zu erhalten.

Natürlich muss das Alte jeweils neu erschlossen werden. Dafür gibt es in unserem Liederbuch kleine erklärende Texte. Und zu den Kernliedern ist schon 2009 ein umfangreiches Werkbuch zu allen Kernliedern erschienen mit Ideen, wie diese eingeführt und fruchtbar gemacht werden können. Wie die Denkmalpflege hat auch die Liedgutpflege ihren Preis. Ein Buch ist teurer als Kopien. Aber ein Buch kann ein Lebensbegleiter werden, Kopien können das nicht. Ausgebildete Kantoren, die mit Kindern singen, kosten mehr als Ehrenamtliche, die nur CDs vorspielen können. Fortbildungen haben ihren Preis. Sie kosten Zeit und Geld. Aber die evangelischen Kern-Lieder, die Generationen überdauert haben, sind es wert, dass man in sie investiert.

Jede Diskussion hat zwei Seiten

Die Gegenposition kann man hier im Loccumper Pelikan nachlesen: http://www.rpi-loccum.de/material/pelikan/pel1-16/1-16_ebinger_vondombois

Weitere Informationen zu den Kernliedern

Diskussion

Keine Frage, bei diesem Thema kann man unterschiedlicher Meinung sein. Was denkt ihr? Worauf legt ihr bei der Liedauswahl Wert, wenn ihr mit Kindern und Jugendlichen singt?

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Warum wir kirchliche Kernlieder brauchen

Ein Kommentar zu „Warum wir kirchliche Kernlieder brauchen

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