Bei der Jahrestagung der Bezirksbeauftragten für Konfirmandenarbeit in Württemberg haben wir uns mit dem spannenden Thema Konfis und Gottesdienst beschäftigt. Nachdem uns Hans-Martin Lübking schon 2016 in Bad Herrenalb ins Gewissen geredet hatte, die Zwangsverpflichtung endlich abzuschaffen, wollten wir uns mit diesem Thema ausführlicher beschäftigen. Eine klare Entschließung haben wir nicht hinbekommen, aber doch ein Meinungsbild. Außerdem wird demnächst in der württembergischen Pfarrerzeitschrift ein Statement zu diesem Thema erscheinen.

Andrea Nahles unterschreibt eine Konfi-Karte auf dem Kirchentag in Stuttgart. Zählt hoffentlich.

Wie bei List-Posts üblich, ist manches etwas überspitzt oder ironisch angehaucht. Ich will niemand zu nahe treten, sondern zum Nachdenken bringen. Auch für die andere Seite gibt es Argumente, aber die lasse ich hier einfach fröhlich weg. Man kann sie ja unten in den Kommentaren ergänzen.



Zehn Argumente für die Freiwilligkeit des Gottesdienstbesuchs in der Konfi-Zeit

  1. Wer lernt, dass man nur in den Gottesdienst geht, wenn man muss, geht nicht mehr, wenn er nicht mehr muss. Das intensive Lernprogramm zeigt also durchaus Wirkung. Leider oft in die gegenteilige Richtung. Noch schlimmer finde ich, wenn der Gottesdienstbesuch der Konfi-Zeit die Zigarettenwährung der Nachkriegszeit wird: “Dafür bekommst du dann eine Unterschrift”, heißt oft: Du sparst einen Gottesdienstbesuch.
  2. Schon Martin Luther war gegen den Gottesdienst als Zwang. Das sollte im Jahr 2017 doch ein Argument sein, das alle Traditionalisten (Früher war alles besser) zum Nachdenken bringt. Martin Luther schreibt 1523 in „Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeinde: „Und das man sie [die Gemeinde] ermane, solchs [den Gottesdienst] frey, nicht aus zwang odder Unlust, nicht umb lohn zeytlich noch ewig, sondern alleyne gott zu ehren, den nehisten zu nutz zu thun.”
  3. Unterschriftenkarten halten die Pfarrerin davon ab, am Kirchenausgang sinnvolle Gespräche zu führen. Das habe ich selbst oft erlebt, denn ich bekenne, dass ich als einfaches Kontroll-Mittel durchaus auch die Unterschriftenkarte verwendet habe. Ich würde es aber nicht mehr tun, sondern wie ich es ebenfalls getan habe, nur noch Gottesdienste festlegen, die mit den Konfis gestaltet werden, zu diesen gezielt auch die Eltern einladen. Ansonsten würde ich viele kleine und größere Formen der Beteiligung einführen, die den Konfis das Gefühl geben: Es hat sich gelohnt, dass ich heute gekommen bin.
  4. Es hat keinen Sinn, Konfis zu erziehen. Sie machen den Erwachsenen sowieso alles nach. Tatsächlich ist der Gottesdienstbesuch auch nach der Konfizeit in solchen Gemeinden kein Thema, wo es bei den Erwachsenen, Teamern, Jugendmitarbeitern dazugehört, in den Gottesdiensten am Sonntag aufzutanken, Gemeinschaft zu erleben und den Rest des Sonntags miteinander zu planen. Fatal ist es, wenn Konfis erleben, dass nicht einmal die Kirchengemeinderäte und Gemeindevorstände außerhalb ihres Dienstes im Gottesdienst anzutreffen sind. Dass nur sie ermahnt werden, wenn sie im Gottesdienst schwätzen, die Senioren-Damen allerdings nicht. Dass nur Erwachsene vom Pfarrer per Handschlag begrüßt werden, sie aber nur ein freundliches Zunicken bekommen, das der ganzen Gruppe auf einmal gelten soll.
  5. Konfis sinnvoll an Gottesdiensten zu beteiligen ist nachweislich wesentlich nachhaltiger. Jeder der einmal Verantwortung für eine Sache übernommen hat, denkt und fühlt auch dann noch ganz anders mit, wenn er nicht mehr in dieser Verantwortung steht. Das sollte uns auch mehr über die Beteiligung von Erwachsenen nachdenken lassen, wie sie in Zweitgottesdiensten oft praktiziert wird. Wenn das nur nicht immer so aufwändig wäre, sagen viele Pfarrerinnen. Aber vielleicht ist es ganz grundsätzlich die Zukunft aller Gottesdienste.
  6. Im Gottesdienst eine Konfi-Kerze brennen zu lassen ist allemal besser als die Unterschriftenkarte. Die selbst gestaltete Konfi-Kerze gilt als sog. weiche Form der Gottesdienstkontrolle. Sie wird vom Konfi selbst angezündet und brennt, wenn er da ist. Natürlich brennen diejenigen Kerzen weiter herunter, die öfter angezündet werden. Man kann aber auch vereinbaren, dass ein Konfi immer alle Kerzen anzünden darf. Die Gemeinde soll die Konfis auf ihrem Weg fürbittend begleiten, dafür sind die Kerzen ein schönes Symbol und eine gute Erinnerung.
  7. Wer es nicht schafft, den ganzen Gottesdienst für Konfis so interessant zu machen, dass sie gerne und voll dabei sind, sollte nicht mit Zwangsmitteln nachhelfen. Erst recht nicht in Ordnung ist es, mit Hilfe der Konfis die leerer werdenden Kirchenbänke zu füllen. Prädikanten wissen ein Lied von Gottesdiensten zu singen, in denen mehr Konfis als Erwachsene da sind. Ein neuralgischer Punkt des Gottesdienstes ist die lange Predigt. Alles, was über 10 Minuten geht, muss schon ziemlich gut sein, damit Konfis noch folgen. Dabei geht es weniger um Rhetorik oder gute Vorbereitung als darum, die Lebenswelt, die Fragen und Wünsche der Konfis aufzugreifen. Ein Hilfsmittel dazu sind die Konfi-Impulse aus Württemberg (online verfügbar hier, wenn es mit dem Einstellen klappt: http://predigten.evangelisch.de), die versuchen, den Gottesdienst von den Konfirmandinnen und Konfirmanden aus zu denken und Beteiligungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Weiteres kann man hier im Blog nachlesen: Konfis als Predigthörende.
  8. Konfis sind peer-fixiert. Wenn neben einem der beste Kumpel sitzt, muss man doch mit dem reden und sich darüber austauschen, was sich die schrägste Lehrerin der Schule schon wieder geleistet hat. Der Gottesdienst bietet leider meist meist viel zu wenig Aktionsflächen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Da wird von vorne über Fest und Gemeinschaft geredet, aber jeder Small Talk streng unterbunden. Längst gibt es andere Gottesdienstformate wie die Thomas-Messe (https://de.wikipedia.org/wiki/Thomasmesse), bei der es eine offene Phase gibt, die bis zu einer halben Stunde dauern kann. Die ersten Christen haben bei der Sättigungsmahlzeit nach dem Abendmahl garantiert geschwätzt. Wenn es stattdessen immerhin einen Kirchenkaffee gibt, sollte unbedingt auch die Konfi-Cola dabei sein.
  9. Konfis werden nicht mündige Christen, indem man sie ein Jahr lang entmündigt. Früher konnte man sagen “Die habe ich ordentlich verkonfirmiert.” Das hatte keinen guten Klang. Disziplinprobleme gab es mit Konfis offensichtlich schon immer. Womöglich haben wir heute die angepassteste Generation von Konfis, die es jemals gab. Pisa und einer leistungsorientierten Schule sei dank. Aber gerade deshalb sollen die Konfis evangelische Kirche und den Glauben insgesamt als Raum der Freiheit erleben, in dem sie so sein können, wie sie sind. Ein Raum, in dem sie positive Erfahrungen machen können, die es anderswo nicht gibt. Ein Raum, in dem sie Gnade und Barmherzigkeit erleben.
  10. Konfis wollen jugend- und konfi-gemäße Gottesdienste erleben, die nachdenklich machen, Kraft geben für den Alltag, fröhlich stimmen für den Rest des Tages und langfristig hängen bleiben. Davon bin ich fest überzeugt. Und sie wollen das nicht in einer Konsumhaltung tun, sondern sie sind bereit, sich einzubringen, wenn man sie lockt und lässt.
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Gottesdienst für Konfis als Zwang? – 10 Argumente gegen gedankenlose Zwangsverpflichtung

10 Kommentare zu „Gottesdienst für Konfis als Zwang? – 10 Argumente gegen gedankenlose Zwangsverpflichtung

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  • 2. März 2017 um 9:33 Uhr
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    Ich kann die Argumente alle nachvollziehen. Die Frage ist aber auch, in welchem Geist das Gottesdienstgebot in der Konfi-Zeit gelebt wird. Wenn der/die Pfarrer/in z.B. grundsätzlich nicht im GD ist, wenn er predigtfrei hat, wenn er den GD v.a. als Arbeit und Last sieht, wenn der GD v.a. Pflichtprogramm ist, dann ist es tatsächlich abschreckend und wird nicht gut in Erinnerung bleiben.
    Ich versuche zumindest, es anders vorzuleben, und ich halte eine bestimmte Häufigkeit des Erlebens von Gottesdiensten während der Konfi-Zeit für sinnvoll. Denn Kirche ist ja nicht nur Konfi-Unterricht, so wie es auch nie nur Jungschar, nur Seniorenkreis, nur Frauenkreis, nur Männervesper etc. ist. Der Gottesdienst ist die Basis des gemeindlichen Lebens. Das heißt nicht, dass immer alle da sein müssen, aber zumindest viele immer mal wieder. Und wer das in der Konfi-Zeit nicht eine gewisse Zeit lang erlebt hat, der wird später noch viel weniger einen Zugang dazu finden. Ich bin mir dessen bewusst, dass Zwang nicht optimal ist, ich würde aber auch nicht von Zwang zum Gottesdienst sprechen, sondern einem gewissen Maß von “Commitment”, das mit der Anmeldung zur Konfirmation vorausgesetzt wird.

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    • 2. März 2017 um 9:42 Uhr
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      Vielen Dank! Da kann ich viele Aussagen voll teilen. Vor allem die Frage finde ich spannend, ob wir als Gottesdienstverantwortliche wirklich die Gottesdienste (mit)gestalten, in die wir gerne gehen würden. Diese Kongruenz spürt man, glaube ich. Und das heißt eben auch, selbst Gottesdienste besuchen, die einem gut tun, Inspiration für den Alltag bieten, einen Gott näher bringen.

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  • 19. Februar 2017 um 23:10 Uhr
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    Lieber Herr Ebinger, ich finde das gut argumentiert und sehr richtungsweisend. Vielen Dank! Das ruft zunächst mal danach, die Kirchenordnungen etc. so zu ändern, dass dieser Zwang abgeschafft wird. Und es ruft nach Gottesdiensten, die Jugendliche ansprechen. Wahrscheinlich gibt es dafür keine Patentrezepte, aber die Abschaffung des GD-Zwangs wird hoffentlich neue Energien diesbezüglich freisetzen. Und ich denke fast, da müssen nicht in erster Linie Blog-Schreiber nachliefern müssen, sondern vor allem Blog-Leser selbst mal nachdenken und experimentieren.

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    • 19. Februar 2017 um 16:59 Uhr
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      Ich weiß, Lutz. Das ruft nach einem zweiten Beitrag. Ich verspreche, das bald einmal nachzuliefern.

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      • 27. Februar 2017 um 10:21 Uhr
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        Lieber Thomas,
        ich sehe das ähnlich wie ihr. Gern kommen die Konfis dann, wenn sie freiwillig in den Gottesdienst kommen. Manchmal schadet ein bisschen Zwang allerdings nicht, um die Freude zu entdecken (z.B. ein Kirchendienst beim Konfipraktikum – da lässt sich auch zu zweit prima vorher und hinterher reden – auch mit der Mesnerin!)
        Sie kommen auch, wenn sie eben direkt beteiligt sind, oder wissen, dass ihre Gedanken vom Mittwoch am Sonntag eine Rolle in der Predigt spielen, Materialien, die sie hergestellt haben, in der Kirche hängen oder jemand dabei ist, den sie toll finden. Natürlich kann man als Pfarrer das nicht jede Woche leisten – muss aber auch gar nicht sein! Wenn 5% der Gruppe gern in den Gottesdienst kommen, ist der Prozentsatz entsprechend zu dem der anderen Gemeindeglieder – damit bin ich schon ganz zufrieden! 😀 Allerdings würde ich auf eine gewisse Anzahl Gottesdienste nicht verzichten wollen – die kann man aber problemlos durch Beteiligung abdecken. Euch weiterhin viele gute Ideen!
        Viele Grüße!

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        • 16. November 2021 um 20:06 Uhr
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          Ich würde gern mal wissen,ob es Pflicht ist ,das Glaubensbekenntnis auswendig zu lernen und die Kinder massiv damit unter Druck zu setzen.Die Kinder haben teilweise soviel für die Schule zu lernen und nicht jedem Kind fällt das Lernen leicht

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          • 16. November 2021 um 22:18 Uhr
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            Das ist in Württemberg laut der aktuell geltenden Rahmenordnung (siehe https://www.ptz-rpi.de/fileadmin/user_upload/ptz/einzelhomepageseite/Konfirmandenarbeit/konfi-pdf/2020_Rahmenordnung_V2.pdf ) auf jeden Fall Pflicht neben anderen Aussagen. Ich bin durchaus der Meinung, dass es dazugehört, das zu lernen und zu können. Die Frage ist allerdings, ob es einzeln oder – wie ich es mache – als Gruppe aufgesagt werden muss. Letzteres ist deutlich menschenfreundlicher, weil man nicht vor Aufregung stecken bleiben kann und immer einer weiter weiß. Wenn es allerdings die ganze Gruppe nicht gelernt hat, merkt man das auch. Konfis, die tatsächlich Lernschwierigkeiten haben, würde ich es erlassen. Oft ist es aber eher Trägheit und mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit. Mit dem Credo-Lerntrainer kann es sogar Spaß machen: https://thomas-ebinger.de/2014/01/digitaler-credo-lerntrainer/. Ich habe mal erlebt, wir mir ein Ex-Konfi ganz stolz vorgeführt hat, dass er das Glaubensbekenntnis noch konnte einige Zeit nach der Konfirmation.

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