Es wird dieses Jahr sicher nicht die einzige sein und bleiben: Eine Konfirmation zum Jahreslosungsthema Glück. Georg Nicolaus, Freund aus Jugendtagen und Pfarrerskollege auf der schwäbischen Alb, hat mir seine – wie ich finde sehr gelungene – Predigt geschickt. Und zum Glück mir auch erlaubt, sie zu teilen mit allen, die sich inspirieren lassen wollen. Da er ein eigensinniger und -williger Denker und Prediger ist, kommt man mit Copy & Paste à la zu Guttenberg ohnehin nicht weit. Jeder würde merken, dass es nicht die eigene Predigt ist. Aber bestimmt hilft es, sich eigene Gedanken zum kleinen und großen Glück des Lebens zu machen.

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Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Ich erinnere mich gut: Als ich so alt
war wie ihr, konnte ich eines überhaupt nicht leiden: Wenn
mich Leute berührt haben, die ich nicht kannte. Damit hatte ich
große Probleme. Vielleicht geht es manchen von euch auch so.
Einzige Ausnahme bei mir: Das Haarewaschen beim Friseur. Das war ein
gutes Gefühl, wenn da vorsichtig und gründlich das Shampoo
verteilt, einmassiert und schließlich wieder ausgespült
wurde. Das war immer sehr angenehm.

Komisch ist nur: Wenn man zu jemand
sagt: Ich muss dir den Kopf waschen! dann ist überhaupt nichts
Angenehmes gemeint, sondern etwas ziemlich Unangenehmes. Das heißt
ja soviel wie: Ich werde dich jetzt zur Vernunft bringen und dir
sagen, was wirklich Sache ist, damit du ein bisschen runterkommst.

Was ich euch jetzt über das Glück
sage, könnte beides haben: Einerseits so angenehm, wie wenn dir
jemand, der was davon versteht, den Kopf wäscht. Andererseits
unangenehm, weil es sich im ersten Moment nicht immer so schön
anfühlt, wenn uns jemand mit der Wahrheit konfrontiert.

Also, das Glück. Glück ist
etwas Wunderbares. Eine der besten Sachen, die sich Gott ausgedacht
hat. Großartig. Grandios. Leider haben wir Menschen ein
ziemliches Händchen dafür, selbst noch so etwas Wunderbares
wie das Glück zu entstellen und zu missbrauchen.

Wenn wir wissen wollen, was Glück
wirklich ist, dann sollten wir in der Bibel nachschauen. Da steht, in
Psalm 73,28: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Und
wie immer bei der Bibel ist es auch hier sehr wichtig, dass wir ganz
genau lesen, was da steht.

„Gott nahe zu sein ist mein
Glück.“ Nicht: „Gott nahe zu sein ist dein
Glück.“ Nicht: „Gott nahe zu sein ist unser
Glück.“ Das ist das erste, wo sich schon ganz viel
entscheidet: Glück ist etwas Persönliches. Keiner von uns
kann für einen anderen glücklich sein. Und: Keiner von uns
ist für das Glück eines anderen verantwortlich. Du kannst
eben nicht zu deiner Mutter gehen und ihr vorwerfen: Wenn du das und
das gemacht hättest, dann wäre ich heute glücklich.

Lasst mich das ganz deutlich sagen:
Eltern sind nicht für das Glück ihrer Kinder
verantwortlich. Wir geben uns Mühe, dass ihr versorgt seid, dass
es euch gut geht, dass ihr Stabilität erlebt – ja, all
das. Aber glücklich machen können wir euch nicht. Das ist
nicht unsere Aufgabe. Jeder, der einen anderen glücklich machen
will, überfordert sich. Andere glücklich zu machen ist
nicht unser Job. Wir freuen uns, wenn ihr als Erwachsene vielleicht
irgendwann einmal im Rückblick sagt: Ich hatte eine glückliche
Kindheit. Aber es gibt keine Garantie, es gibt kein Rezept, durch die
Eltern ihre Kinder glücklich machen können. Glück ist
etwas, das wir Menschen nicht unter Kontrolle haben. Auch wir Eltern
nicht.

Umgekehrt gilt dasselbe: Kinder sind
nicht für das Glück ihrer Eltern verantwortlich. Manche
kennen vielleicht das Lied „Junge“ von den Ärzten.
„Junge, warum hast du nichts gelernt?“ Dieses Lied
handelt davon, dass Eltern ihr Glück davon abhängig machen,
dass ihr Junge das tut, was sie sich für ihn wünschen.
„Willst du, dass wir sterben?“ Da wird das Glück,
diese wunderbare, grandiose Sache, unter der Hand zu einem
Druckmittel, mit dem ich andere erpresse. Tu, was ich will, sonst
machst du mich unglücklich. Du bist dafür verantwortlich,
ob ich glücklich bin oder nicht. Mach dich nicht zur Geisel des
Glücks! Du bist nicht dafür verantwortlich, dass ein
anderer glücklich ist.

Das gilt für alle, Eltern, Kinder,
Großeltern, Freunde: Hört auf die Glückskarte zu
spielen! Denn die Glückskarte ist nur ein etwas: Zutiefst
unfair. Sie erpresst den anderen und vergiftet die Atmosphäre.
Lass dich nicht zum Sklaven des Glücks eines anderen machen! Und
mach dein Glück nicht davon abhängig, was ein anderer tut
oder lässt! Wenn ihr das beherzigt, habt ihr schon mal eine
Riesenbaustelle für Konflikte in der Familie und in
Freundschaften umgangen.

Jetzt kommen wir zum Zweiten: Wie wird
man glücklich? Einige von euch gehen nachher gut essen. Jetzt
kenne ich Leute, die denken, damit sie glücklich sein können,
muss alles genau so sein, wie sie sich es vorstellen. Die Spätzle
genau richtig, das Fleisch, die Getränke, der Nachtisch, die
Atmosphäre, einfach alles. Die machen ganz, ganz viele Häkchen.
Und wenn sie überall ein Häkchen gemacht haben, dann sind
sie glücklich. Ich verrate dir etwas: Wenn du so bist, wirst du
nachher kein schönes Fest haben. Und noch schlimmer: Du wirst
überhaupt nie richtig glücklich sein. Glück
funktioniert nicht so, dass alles so läuft, wie du es dir
vorstellst. „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“
heißt ja auch: Glück hat etwas mit einem Gegenüber zu
tun. Einem Gegenüber, das du nicht unter Kontrolle hast, sondern
das tut, was es will. Gott kannst du nicht kontrollieren. Glück
hat etwas mit Loslassen zu tun, mit Vertrauen, nicht mit Kontrolle.

Worauf musst du achten, wenn du fragst:
Wie werde ich glücklich? Das Allerwichtigste: Das, was dich
glücklich macht, davon machst du dich abhängig. Es gibt
Menschen, die macht Alkohol glücklich. Jedenfalls für eine
bestimmte Zeit. Andere macht das Gefühl glücklich am
Drücker zu sein. Wieder andere macht es glücklich, wenn der
VfB gewinnt. Da gab es früher den Autoaufkleber: „Bitte
nicht hupen! Fahrer träumt vom VfB.“ Ich als Betroffener
kann sagen: Das sind im Moment eher Alpträume. Aber unter
VfB-Fans, die nicht nur regelmäßig ins Stadion, sondern
auch regelmäßig in die Kirche gehen, ist eins ja schon
lange klar: Kirche und Fußball haben wirklich viel miteinander
zu tun. Ob Gottesdienst oder Heimspiel, ist immer das Gleiche.
Letztes Wochenende war’s, hm, nicht so toll. Ne, wirklich
nicht. Aber das nächste Mal geht man natürlich trotzdem
wieder hin.

Worauf ich hinaus will. Wenn du dich
fragst: Was brauche ich um glücklich zu sein? Dann musst du dich
auch fragen: Wovon bin ich abhängig? Glück und Abhängigkeit
gehören zusammen.

Je nachdem, wovon du dich abhängig
machst, sieht auch dein Glück unterschiedlich aus. Da gibt es
verschiedene Möglichkeiten: Wenn du zum Glücklichsein
Alkohol brauchst, ist das in meinen Augen keine so gute Sache. Wenn
du dein Glück davon abhängig machst, dass es dir und deiner
Familie und deinen Freunden gut geht, ist das vielleicht nicht ganz
so problematisch. Aber es ist auch nicht das wahre. Die Bibel sagt:
„Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Das bedeutet:
Überhaupt nichts in dieser Welt macht mich wirklich glücklich.
Weder eine intakte Familie noch gute Freunde noch ein erfüllender
Beruf noch ein befriedigendes Hobby. Bei der Frage nach dem Glück
sind wir auf dem falschen Dampfer, wenn wir in dieser Welt nach etwas
schauen, das uns glücklich macht. Das echte, das wahre Glück,
mein Lebensglück, das finde ich bei Gott. Das grandiose,
das wunderbare, das alles erfüllende Glück – das hat
mit Gott zu tun.

Gerade läuft ja das Lied „Happy“
von Pharrell Williams rauf und runter, und da singt er unter anderem:
„Clap along if you feel like happiness is the truth.“ Zu
deutsch: „Klatsch mit, wenn du spürst, dass Glück,
dass Freude die Wahrheit ist.“ Da ist er auf der richtigen
Spur. Glück, Freude und Wahrheit haben etwas miteinander zu tun.
Es ist allerdings genau anders herum: Glück ist nicht die
Wahrheit, sondern: Die Wahrheit macht glücklich. Jesus sagt über
sich selbst: „Ich bin die Wahrheit.“ Und etwas später
erklärt er diesen Satz seinen Jüngern: „Das sage ich
euch, damit eure Freude vollkommen sei.“ Wahres Glück,
echte Freude haben wir, wenn Jesus, wenn die Wahrheit, bei uns ist.
In uns ist.

Denn bei Gott gibt es diesen
Glückssektor. Dort, wo alle glücklich sind. In der Bibel
heißt er: Himmel. Oder: Reich Gottes. Im Glückssektor sind
alle glücklich, weil alle bei Gott sind. Und es gibt auch das
Gegenteil: Den Ort, wo alle unglücklich sind, weil sie nicht bei
Gott sind. Diesen Ort nennt die Bibel Hölle. Das sind beides
reale Orte. So real wie Glück und Unglück. Und dieser
Glückssektor, dieses Reich Gottes, ist dort, wo Jesus ist.
Deshalb sagt Jesus einmal, als alle um ihn herumstehen: „Das
Reich Gottes ist in eurer Mitte.“ Wo Jesus ist, da ist der
Glückssektor.

Und wo findest du Jesus? Das ist das
Herausfordernde am echten Glück, das Herausfordernde an Gott: Du
findest ihn nicht bei den Schönen, Mächtigen und Reichen.
Du findest ihn bei den Zukurzgekommenen, den Hilflosen. Bei denen, wo
andere sagen: Hat das wirklich sein müssen, dass der auf die
Welt kam? Mit der Behinderung? Für Martin war es der Bettler,
dem er seinen Mantel gegeben hat. Wer es für dich ist, weiß
ich nicht. Aber eins weiß ich: Jesus sagt: „Was ihr einem
meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Gott, Jesus, findest du dort, wo die Loser und die Opfer sind. Du
findest ihn dort, wo du nicht der Star bist, sondern wo alles
zerbrochen ist, wo du dich nicht auf dich selbst oder andere
verlassen kannst, sondern wo du anfängst, dich auf Gott zu
verlassen. Dass Gott ganz nahe ist heißt: Er ist so nahe, dass
du ihm alles in die Hand legen kannst. In einem Abendgebet, dass mir
einmal eine Konfirmandin aufgeschrieben hat, heißt es: „Zu
dir will ich tragen / Gelingen, Versagen, / das Schöne, das
Schwere, / die Fülle, die Leere, / die Zweifel, den Sinn, / was
mir fehlt, wie ich bin.“ Alles. Wenn du alles zu ihm trägst,
an sein Kreuz bringst, dann wird dein Leben nicht leer, sondern dann
wird es erfülltes Leben. Von Gott erfüllt.

„Gott nahe zu sein ist mein
Glück.“ Ich bin überzeugt: Egal, wer von den acht
Milliarden Menschen auf der Welt das sagt – es stimmt immer.
Das gilt für jeden einzelnen Menschen. Aber jeder und jede muss
es selbst entdecken. Dass ein anderer erkennt, dass Gottes Nähe
das wahre Glück ist – das kann keiner von uns für den
anderen machen. Dafür können wir beten. Sonst nichts. Dass
jemand die Wahrheit erkennt, das können wir niemandem abnehmen.
Und dazu können wir auch niemanden zwingen. Der alte Satz
„Jemanden zu seinem Glück zwingen“ ist also
grundfalsch. Und auch Gott zwingt niemanden zu seinem Glück.
Selbst wenn dich Gottes Nähe überwältigt, lässt
er dir immer noch die Wahl – dich überwältigen zu
lassen oder ihm den Rücken zuzukehren. Ich empfehle dir: Lass
dich überwältigen! Kehr ihm nicht den Rücken zu!

Denn das ist das Letzte: Echtes Glück
gibt es nur im Hier und Jetzt. Die Chance glücklich zu sein ist
jetzt. Es heißt nicht: „Gott nahe zu sein war mein
Glück.“ Oder „Gott nahe zu sein wird mein
Glück sein.“ Sondern: „Gott nahe zu sein ist
mein Glück.“ Glücklich bist du jetzt und hier –
oder du bist es nicht. Und wenn Gott, wenn Jesus bei dir ist, wie wir
es vorhin im Taufbefehl gehört haben: „Ich bin bei euch
alle Tage bis an der Welt Ende.“ und wenn du das weißt,
dann bist du glücklich. Dann bist du glücklich, egal wie
dein Leben gerade aussieht.

„Gott nahe zu sein ist mein
Glück.“ Ich wünsche jeder und jedem von euch, von
ganzem Herzen wünsche ich euch: Dass ihr das jeden Tag, jede
Stunde, jeden Augenblick eures Leben sagen könnt – und
spürt: So ist es.

Amen.

(c) Pfarrer Georg Nicolaus, Heroldstadt-Ennabeuren

Konfirmationspredigt zur Jahreslosung – Glück
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