Herausgegeben von Hans Burkhardt, Damaris Knapp, Beate Peters, Erarbeitet von Ulrike von Altrock, Hans Burkhardt, Sabine Keppner, Damaris Knapp, Beate Peters, Kira Wagner. In Zusammenarbeit mit dem Westermann Bildungsmedien Verlag, 192 Seiten, 1. Auflage 2022, 19,50 Euro.
Dazu: Lehrerhandbuch Spuren lesen Grundschulbibel – Impulse und Anregungen für Lehrkräfte, im Kombi-Paket 22 Euro.
Konzeption
Kinderbibeln gibt es so viele, dass man schon Leitfäden braucht, um die Übersicht zu behalten (siehe https://www.ekd.de/themenheft-empfehlenswerte-kinderbibeln-erschienen-36828.htm für 2 Euro + Versandkosten bestellbar).
Clever gelöst ist das alte Dilemma von Kinderbibeln: Entweder man erzählt relativ wörtlich nach, dann fehlt vielen Bibelgeschichten aber das Kindliche und es ist schwer, Erklärungen zu geben. Oder man erfindet Rahmengeschichten, die Kinder dann aber mit den biblischen Erzählungen selbst verwechseln können und die verwirren, wenn sie andere Bibeln kennen lernen. Hier haben die zwei Autorinnen und der eine Autor sich dafür entschieden, beides zu bieten, aber deutlich zu trennen. Jeweils zu Beginn von Altem und Neuem Testament wird das erklärt, die Rahmengeschichten sind durch den gelben Hintergrund und die rote Schriftfarbe deutlich getrennt. So erlebt man hier Hanna und ihren Großvater, den Priester Daniel, die in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem babylonischen Exil leben – hermeneutisch ein guter Zugang. Im Neuen Testament findet man dann Silas und Theophilus, einen Gelehrten in einer christlichen Gemeinde.
Fragen kann man sich, warum es sich jeweils um männliche Autoritäten handeln. Etwas merkwürdig ist auch die Namenswahl von Theophilus. “Auf den nächsten Seiten lernt ihr Silas und Theophilus kennen. Sie kommen nicht in der Bibel vor.” (S. 113) Das ist so mindestens ungenau und könnte für Kinder, die die Bibel aus anderen Kontexten gut kennen, verwirrend sein. Denn natürlich kommt Theophilus zweimal in der Bibel vor als Adressat des lukanischen Doppelwerks. Ein anderer Name wäre aus meiner Sicht besser gewesen.
Theologisch folgt die Kinderbibel neueren Ansätzen. Die Gottesrede wird nicht absolut berichtet, sondern eher subjektiv wiedergegeben: Der Mensch hört Gottes Stimme.
Wo steht die Grundschulbibel auf der berühmten Neidhart-Steinwede-Skala, die in keiner religionspädagogischen Prüfung fehlen darf? Sie folgt eher Walter Neidhart (“Dabei wird nicht unnötig ausgeschmückt, was der Originaltext nicht hergibt.” (Impulse S. 9)) Trotzdem bietet die Rahmenerzählung genug Raum für Phantasie, Ausschmückung und kindgerechte Reflexion.
Auswahl der Bibeltexte
Natürlich ist es immer schwer, aus der großen Bibel mit den vielen bekannten Geschichten und Texten, eine Auswahl zu treffen. Das Autorenteam hat zwei Kriterien zugrundegelegt. Einerseits die Bildungspläne der Bundesländer, die sich an der Kindgerechtheit der Texte orientieren, andererseits die Offenheit zum Theologisieren. Diese Auswahl scheint mir durchaus gelungen und ich vermisse keine grundlegenden Texte außer vielleicht den Berichten von der Ausbreitung des Christentums und den Missionsreisen des Paulus in der Apostelgeschichte.
In den ausgewählten Geschichten soll keine heile Bibel-Welt dargestellt werden, sondern teils widersprüchliche und gegensätzliche Erfahrungen zur Sprache kommen, bei denen trotzdem deutlich wird: Hier ist Gott im Spiel (Impulse S. 9).
Ausstattung
Neben der Grundschulbibel selbst gibt es die Impulse und Anregungen für Lehrkräfte, die man auf jeden Fall haben sollte als Lehrkraft.
Die Impulse enthalten eine separate doppelseitig bedruckte Landkarte mit Orten der Bibel zur Zeit des Neuen Testaments (Israel und Israel mit Mesopotamien). Dort sind auch Materialien, die man projizieren soll. Es wäre wünschenswert, dieses Material als Download zur Verfügung zu stellen, damit man es nicht extra einscannen oder abfotografieren muss.
Die Impulse bieten zehn konkrete Unterrichtsentwürfe unter der Überschrift “Wie kommen Kinder in die Geschichten?”, vier eher knapp gehaltene Vorschläge zum Theologisieren mit Kindern (Schöpfung, Alles hat seine Zeit, Jesus als König, Was ist gerecht?), Ideen zum Umgang mit den Rahmengeschichten, acht Vorschläge zur Arbeit mit ausgewählten Bildern. Das ist hilfreich und gut gemacht.
Die Grundschulbibel selbst hat ein typisches Schulbuchformat, ein praktisches rotes Lesebändchen, außerdem zwei große Landkarten. Die Schriftart ist auch für Erstleser gut geeignet.
Was leider fehlt sind Ausmalbilder. Auch wenn deren didaktischer Wert umstritten ist, ist es doch meine Erfahrung, dass Kinder schöne Motive gerne nachgestalten. Vielleicht könnte der Verlag die über die Homepage noch nachliefern. Denn vermutlich wird die Grundschulbibel wie ich das kenne eher in Klassensätzen vorhanden sein, die man gelegentlich einsetzt, als dass die Schüler diese auch selbst mit nach Hause nehmen können.
Die Illustrationen
stammen von Yvonne Hoppe-Engbring (https://www.hoppe-engbring-illustration.com). Sie sind farbenfroh und ideenreich. Leider wirken manche Motive – darunter auch das Titelbild, in dem Jesus die Kinder segnet – etwas unbeholfen und statisch. An die Qualität der Bibelillustrationen von Annegert Fuchshuber (mit Werner Laubi, Kinderbibel) reichen sie nicht ganz heran, aber das ist auch schwer zu toppen. Besonders schön finde ich die Seiten zu den Psalmen, die nach Stimmungen sortiert sind, was auch in den Illustrationen schön aufgenommen wird.
Einzelbeobachtungen
Manchmal geht mir die subjektive Wendung zu weit. So sagt Theophilus in der Rahmenerzählung zur Sturmstillung zur Frage, was gegen die Angst in der Dunkelheit hilft auf S. 135: “Und manchmal hilft mir diese Geschichte.” Da hätte man auch sagen können: “Da denke ich dann: Jesus kann auch mir helfen, wie in dieser Geschichte.”
Die Anordnung der Geschichten ist durchaus ungewöhnlich. Nachdem es mit der Schöpfung im Sieben-Tages-Schema losgeht, kommen Adam, Eva und der Sündenfall erst nach der Josefsgeschichte.
Die Sätze sind oft sehr kurz gehalten. Das eignet sich für die Schüler:innen sicher gut, um die Texte selbst zu lesen. Beim Vorlesen wirkt es allerdings etwas abgehackt und teilweise nicht so elegant. Aber eine Vorlesebibel will es ja auch gar nicht sein.
Die für Kinder immer schwer zu verstehende Vernichtung der Ägypter beim Durchzug durch das Rote Meer wird ausgespart (S. 75), dafür wird die Tötung der erstgeborenen Söhne der Ägypter als zehnte Plage berichtet.
Psalm 23 (S. 90) wird in einer modernen Übertragung wiedergegeben. Hier hätte ich mich über den Luthertext gefreut, den man schon zu Grundschulzeiten auswendig lernen kann.
Auch das Neue Testament ist ungewöhnlich angeordnet: Es beginnt mit Passion und Auferstehung Jesu. Dann kommen – wohl angelehnt an die historische Entstehung – Texte aus Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Das führt dazu, dass die Geburtsgeschichten erst relativ spät zu finden sind. Ganz ausgeklammert wird die Apostelgeschichte ab Pfingsten, das man fürs Kirchenjahr braucht, aus Römer- und Korintherbrief sowie der Offenbarung gibt es kurze Auszüge.
Fazit
Die Grundschulbibel gefällt mir gut und sie erfüllt alle Ansprüche, die man an eine moderne Kinderbibel haben muss, die im Religionsunterricht zum Einsatz kommen soll. Ich werde sie sicher immer mal wieder einsetzen und mit unserer Reli-Fachschaft besprechen, ob wir sie für unsere Grundschule anschaffen wollen.