Meine Auszeiten – Stuttgart. Durchatmen & Kraft schöpfen, von Daniela Berg und Mareike Fröhlich, 168 Seiten, 16 Euro
Das Autorinnenduo legt nach in der Region (siehe meine Rezension von “Glücksorte in und um Esslingen”, dem mit dem Café Fräulein Margot bald ein Glücksort abhanden kommt) und hat mir wieder ein Rezensionsexemplar zukommen lassen. Gut, dann rezensiere ich eben. Leitgedanke für die Auswahl der Orte und Unternehmungen ist diesmal “Durchatmen und Kraft schöpfen”. Also genau das Richtige für gestresste Großstadtbewohnende und Ballungsraum-Verkehr-Geschädigte.
Gesamteindruck
Die Machart des Buches ist schön und praktisch wie bisher auch: Ein beschreibender Text wird auf der rechten Seite ergänzt durch wirklich sehenswerte Fotos, die Lust machen, die Sache selbst zu erleben. Aufgelockert werden die 70 Stationen durch Erklärtexte wie “Balance durch Atmen”, die für mich nicht besonders relevant waren.
Vorne klappt man eine Karte mit den Stationen in der Region auf, hinten findet man eine – m. E. zu wenig detaillierte – Karte für die Stadt Stuttgart. Wenn man die Autorinnen kennt, sieht man auf manchen Fotos, was man auch den Texten abspüren kann, dass sie die Auszeit-Orte auch wirklich selbst erkundet haben.
Ausgewählte Auszeit-Stationen
Manches kenne ich als gebürtiger Esslinger natürlich schon lange, aber viele Orte sind durchaus so ungewöhnlich, dass sich auch für lang in der Region wohnende ein Buch-Kauf lohnt. Hier eine Auflistung einiger Stationen, die mir besonders gefallen oder die ich selbst einmal gern erkunden würde.
- Nr. 1: Den Sonnenaufgang auf dem Fernsehturm Stuttgart erleben. An acht Samstagen öffnet der SWR Fernsehturm Stuttgart bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang seine Aussichtsplattformen und das Panoramacafé für alle interessierten Besucher*innen. Infos und Buchung: https://www.fernsehturm-stuttgart.de/de/besuch/veranstaltung.php?event=58
- Nr. 8: Aerial Yoga. Bei dieser Form von Yoga hängt man in von der Decke hängenden Tüchern und erlebt so etwas wie Schwerelosigkeit. Das ist bestimmt für geplagte Rücken sehr entspannend und deutlich billiger als eine Raumfahrt zu buchen. Wann die Kurse für das luftige Yoga angeboten werden, sieht man hier: https://körperspüren.de/yoga-kurse/
- Nr. 10: Straßenbahn fahren mit der Oldtimerlinie 23. Die Bahnen habe ich schon oft gesehen, saß aber noch nie drin. Immer sonntags kann man beim Schaffner sein Ticket kaufen und dann vom Straßenbahnmuseum ad Cannstatt bis zur Ruhbank hochfahren. Infos unter https://www.shb-ev.net/web/
- Nr. 14: Der Eugensplatz. Überhaupt kein Geheimtipp, die Eisdiele Pinguin ist Kult und der Blick über den Olgabrunnen und die Stäffele nach Stuttgart hinunter kann sich mit jeder anderen Weltmetropole messen. Netterweise ist die Mopsstatue erwähnt, die zu Ehren von Loriot aufgestellt wurde, der dort in der Nähe gewohnt hat. Nicht erwähnt wird, dass der Mops von einem Kemnater Künstler gestaltet wurde, Uli Gsell. Die volle Geschichte liest man hier: https://stuttgart.im-bild.org/fotos/denkmaeler/loriot-denkmal
- Nr. 16: Wildkräuterwanderung in Uhlbach. Das ist der ultimative Schwaben-Spartrick, denn Wildkräuter kann man umsonst ernten, wenn man sie einmal kennt und weiß, wozu sie passen. Termine unter https://www.uhlbacher-wildkraeuterwerkstatt.de/
- Nr. 18: Die Cocktailbar Holzmaler in der Weberstraße 9 in Stuttgart. Diese Bar im Stil der 1920er Jahre lebt von der Geschichte eines früheren Holzmalers, der hier seine Werkstatt hatte. Einlass erhält man nur, wenn man klingelt. Es gibt auch die Möglichkeit, in der “Blauen Stunde” Drinks in Serie durchzutesten. Weitere Infos https://holzmaler.de/
- Nr. 21: Spontanchor “Deine Stimme für den Osten”. Es wird ja immer schwieriger Leute für einen regelmäßig probenden Chor zu begeistern. Aber das Chorsingen mal spontan auszuprobieren ist eine gute Idee, wie das im Laboratorium Stuttgart möglich ist. Siehe https://laboratorium-stuttgart.de/kalenderdaten/detail/deine-stimme-fuer-den-osten-1211/
- Nr. 30: Eine Ballonfahrt. Davon träumt man doch, wenn man die bunten Schwebe-Ballons von unten sieht: einmal drinsitzen und von oben herab schauen. Joachim Schäfer aus Löchgau bietet verschiedene Touren in der Region an: https://www.ballonsportjoachimschaefer.de/
- Nr. 34: Manufaktur Jörg Geiger. Eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte sind die alkoholfreien PriSeccos und alkoholfreien Weine aus Schlat. Ich habe dort mit dem Lehrerinnen-Kollegium selbst eine Manufakturführung mitgemacht und verstehe seitdem, warum die aufwändig hergestellten Erzeugnisse ihr Geld wert sind. Die Geschichte vom Rechtsstreit um die schwäbische Champagner-Bratbirne lässt feinsinnige Juristen schmunzeln. Mehr Infos https://www.manufaktur-joerg-geiger.de/
- Nr. 38: Wandern mit Alpakas. Mit Tieren unterwegs sein ist nicht nur für Kinder ein Erlebnis. Von Untertürkheim aus kann man mit Alpakas unterwegs sein und dabei den Württemberg besteigen. Mich erinnert das an unsere Eselwanderungen als Familie (siehe Wandern mit Eseln in den Cevennen). Termine bzw. Buchung unter https://wuerttemberg-alpakas.de/Wanderungen
- Nr. Stocherkahnfahren in Tübingen mit Gin-Verkostung. Als Theologie-Student in Tübingen habe ich einmal am legendären Stocherkahnrennen teilgenommen. Wer noch keine Stocherkahnfahrt auf dem Neckar erlebt hat, sollte das dringend nachholen. Und warum auch nicht dabei gleich so viel Gin trinken, bis man nicht mehr weiß ober der Kahn schwankt oder man selbst. Buchung über https://www.schwaebischer-shop.de/veranstaltungen-tickets-gutscheine/gin-tastings/auf-dem-stocherkahn/
- Nr. 61: Sculptoura. Die Freiluftgalerie mit plastischen Kunstwerken verschiedener Künstler, darunter Birgit Rehfeldt und Uli Gsell aus Kemnat, ist zur Erkundung mit dem Fahrrad gedacht. 65 Kilometer geht es von Waldenbuch aus bis nach Leonberg. Infos zur Strecke und den Kunstwerken findet man hier: https://schoenbuch-heckengaeu.de/sculptoura/
- Nr. 64: Martinusweg. Jedes Kind kennt ihn, den heiligen Martin, der seinen Mantel mit einem Bettler teilt. Nicht bewusst war mir als großem Jakobsweg-Fan (siehe Der portugiesische Jakobsweg und Fatima und Der französische Jakobsweg von Burgos bis Santiago), dass es auch einen Martinusweg gibt, der vom Geburtsort Martins in Ungarn bis nach Tours in Frankreich führt, wo ich schon einmal den Schädel des Heiligen in der Krypta der Basilika St. Martin bewundert habe. Der Stuttgart nahe liegende Abschnitt dieses Wegs, für den es ebenfalls einen Pilgerausweis mit Stempelfeldern gibt, führt von Leonberg über die Schillerhöhe, das Schloss Solitude und das Bärenschlössle bis zum Stuttgarter Schlossplatz. Weitere Informationen unter https://www.martinuswege.eu/
Fazit
Das Auszeiten-Buch bietet eine doppelte Auszeit: beim Schmökern und Durchblättern und dann natürlich beim Ausprobieren der Vorschläge. Alles wird liebevoll und motivierend beschrieben. Ein Buch, das einen in Bewegung setzt und Neues in Stuttgart und Region entdecken lässt. Es ist natürlich kein klassischer Reiseführer, sondern eher etwas für Menschen, die die typischen Highlights schon kennen und auf der Suche nach ungewöhnlichen und entspannenden Erlebnissen sind.
