Heute gibt es zur Abwechslung mal einen Gastbeitrag, eine eindrückliche Andacht von Dozent Rainer Kalter, die er uns im Haus Birkach gehalten hat und die sich (adaptiert) toll auch für Konfis, Schüler und Jugendliche überhaupt, selbst für Erwachsene eignet, weil sie so elementar und überraschend ist. Ich habe es jedenfalls so gewendet noch nie gehört, vielleicht kennen manche die Pointe ja schon. Egal, hier ist der Text. Danke Dir, Rainer, dafür, dass Du mir und der Internetgemeinde diesen schönen Text zur Verfügung gestellt hat!

Der Volltreffer im Lotto

von Rainer Kalter

Wenn die Losung des heutigen Tages, ein Vers aus dem Jesajabuch: „Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie!“ auch gut zur einen oder anderen Partei in dem einen oder anderen Bundesland passen würde, so will ich Sie heute in dieser Andacht gerne auf einen andere Spur leiten.

Doch zunächst lassen sie uns gemeinsam singen …

Lied 452, 1-3

Wovon träumt ihr? So habe ich immer wieder meine Schüler in der 8., auch 9. Klasse gefragt. Schreibt auf, malt etwas, gestaltet eine Collage, eine Fotostory, ein Video, eine Powerpointpräsentation oder ein Gedicht. Ist da für jeden etwas dabei?
Kann ich auch einen Rap daraus machen? frägt Holger?
Gute Idee.
Auch wenn es manchmal etwas grelle Farben, vielleicht auch schrille Töne sind, so ist doch das Ergebnis erstaunlich nüchtern:
Ein Heim – ein Haus, häufig mit Garten. Fast immer eine Familie, Kinder. Einen Job. Die Sicherheit wiegt in der Regel mehr als der Verdienst. Oft ein schnelles Auto – die Jungs halt – Unabhängigkeit?!
Bescheiden – fast möchte man sagen, etwas kleiner gefasst – irgendwie erreichbar. Auf jeden Fall relativ realistisch, selten die Villa in Kalifornien oder die Karriere als Sängerin, kaum mal der Rap-Star oder der Top-Scorer in der Bundesliga.

Ganz anders ist die Hoffnung des Propheten Jesaja, aus dem die Losung für den heutigen Tag stammt:
„Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.« Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.“ Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein.
Später heißt es: „Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen.“
Unglaubliche, geradezu ausufernde, Grenzen überschreitende Hoffnungen. Gerichtet an Menschen, die nicht mehr konnten, die – nach langer Zeit des Exils und der Gefangenschaft in Babylon zurückkommen nach Jerusalem und Juda und keine blühenden Landschaften vorfinden, sondern ernüchternd feststellen müssen, dass neue Probleme auf sie warten.
Wenn der Tempel wieder aufgebaut ist, vielleicht wird es ja dann gut werden, so dachte man. Aber danach wurde es auch nicht wesentlich besser.
Wenn Jesaja in meiner Klasse gewesen wäre und wir hätten dann gemeinsam seine Collage angesehen, dann hätte ich vermutlich gesagt:
„Jesaja – Sportsfreund, da hast du aber ordentlich zugelangt. Das ist ja wirklich ein echter Traum. Lass mal sehen, unglaubliche Bilder. Ist das da ein Blinder, der wieder sehen kann? Und hier, dieser Frau, die total fertig ist, der die Hände zittern und die Knie schwanken, die sieht hier wieder aus wie das blühende Leben. Wahnsinn, wie du den Mann hier zeichnest, der seinen eigenen Rollstuhl wie wild in der Gegend herumschiebt….
Mensch Jesaja – deine Collage fällt wirklich „aus dem Rahmen“.

Ich war froh, dass mich keiner der Schüler damals gefragt hat: Herr Kalter, machen Sie auch mal ein Bild? Was sind eigentlich Ihre Träume?

Eine Zeitlang habe ich schwer mit der Sofort-Rente der Aktion Mensch spekuliert. Jeden Monat so ein extra Betrag – ich würde gar nicht so viel auf einmal haben wollen.
Heute? Japan – dass Hilfe kommt, die nukleare Katastrophe sich vielleicht doch nicht ereignet, keine Kriege mehr – kein hungerndes Kind….

Und Sie? Diese Sofort – Rente,… nur mal so:
Ein Versuch: Sie erhalten jeden Tag sagen wir – was weiß ich – 86400 Euro aufs Konto.
Aber: Was Sie im Lauf eine Tages nicht ausgegeben haben, wird ihnen nicht gutgeschrieben, es ist weg.
Am kommenden Tag haben Sie dafür ein neues Konto, wieder mit dem gleichen Betrag.
Ach ja, die Bank kann zu jedem Zeitpunkt sagen: Aus – Gewinn ist vorbei – keine neues Konto mehr morgen – ihr Konto ist geschlossen.
Vermutlich würde man versuchen, jeden Cent auszugeben. Mal das nötigste für sich, die Kinder, die nahen Verwandten. Dann sind ja wohl mal alle versorgt. Dann Freunde, Bekannte, anonym jemanden was zukommen lassen, der einen nicht kennt, aber den Betrag gut brauchen könnte. Alles ausgeben, verschwenden schon fast, es wird ja nichts gutgeschrieben.

Sie haben es gemerkt, kennen vielleicht die Pointe: 86400 Euro stehen für die 86400 Sekunden einen Tages. Nichts kann gespart werden – gar nichts. Jeden Tag ein neues, volles Konto. Aber: Es kommt der Tag, der eine Tag… .

Zurück zu Jesaja:
„Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.« Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.“ Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein.

Was hätte ich noch mal vermutlich zu Jesaja gesagt, nachdem er seine Collage präsentiert hat:
Jesaja – Sportsfreund, da hast du aber ordentlich zugelangt. Das ist ja wirklich ein echter Traum. Lass mal sehen, unglaubliche Bilder. Ist das da ein Blinder, der wieder sehen kann? Und hier, dieser Frau…

Vielleicht hätte Jesaja gesagt:

Ich weiß, Herr Kalter – aber wissen Sie: Das ist meine Hoffnung – gegen allen Augenschein. Ich weiß, dass die Welt so ist, wie sie ist. Aber: Ich will mich nicht so davon bestimmen lassen. Meine Collage drückt die Hoffnung aus, dass es schon morgen anders werden kann.

À propos 86 400 Sekunden: Ich habe mal nachgerechnet: Von 9.00 Uhr an sind es immer noch unglaubliche 54.000 Sekunden!

„Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!

Amen.

Rainer Kalter, Dozent am Pädagogisch-Theologischen Zentrum Stuttgart (Sek. I)

86400 Euro – Dein täglicher Volltreffer im Lotto

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