Freundlicherweise hat mir PD Dr. Martin Wendte, derzeit Studienassistent im Pfarrseminar und Lehrstuhlvertreter in Lüneburg sein Einführungspapier zur 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD zur Online-Veröffentlichung überlassen (vgl. meinen Beitrag dazu hier). In fünf Punkten fasst er prägnant die zentralen Einsichten zusammen. Seine launig vorgetragene Einführung durften wir beim Referentenkonvent des EBZ Württemberg (Evangelisches Bildungszentrum) genießen und haben anschließend fleißig darüber diskutiert. Ich hoffe wie viele andere, dass die Diskussion noch nicht zu Ende ist. Deshalb hier die Thesen:

5 zentrale Einsichten der V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (als erster Überblick)

  1. Die Kirchenmitglieder teilen sich zunehmend auf in solche, die sehr engagiert sind, und in solche, die der Kirche recht indifferent entgegenstehen. Die Engagierten sind selbst einsatzbereit, stellen aber auch Ansprüche, während die Indifferenten vor allem bei Kasualien angesprochen werden und ansonsten aus Tradition Mitglieder sind. Der „mittlere Bereich“ – die mild Engagierten – werden weniger und weniger. Damit stellt sich in Zukunft die Frage, welche Form von Kirche wir sein wollen: eher Kirche im Volk mit freikirchlichen Zügen, oder weiterhin Volkskirche für alle?
  2. Religiöse Kommunikation findet vor allem im Nahbereich statt, und zwar in der Familie und zwischen Freunden, bei face-to-face-Begegnungen. Das Priestertum aller Getauften funktioniert hier also. Themen sind dabei vor allem „genuin religiöse“ Themen, also Fragen nach dem Sinn des Lebens, dem Tod etc. Gerechtigkeit und Frieden sind demgegenüber weniger wichtig.
  3. Kirche ist für die meisten – und gerade für die Kirchenferneren – vor allem Pastorenkirche vor Ort, und zwar in Bezug auf den Pfarrer bei seinen öffentlichen Auftritten; bei Kasualien und Gottesdiensten, aber auch beim Agieren im Öffentlichen Raum (bei Festen und Vereinen etc.). Demgegenüber sind nur für die Engagierten die weiteren haupt- und ehrenamtlichen Gemeindeglieder von größerer Wichtigkeit, also Diakone, Sekretärinnen, Gruppenleiter etc.; das geht gegen alle pastoraltheologischen Ansätze, welche die Pfarrerzentriertheit durch spielertrainerische Aktivierung der Ehrenamtlichen überwinden wollen. Übergeordnete Personen oder Strukturen (Dekane; Gesamtkirchengemeinden etc.) sind sowieso für fast alle Befragten irrelevant. – Wichtig ist, dass der Pfarrer vor Ort öffentlich agiert. Beim Pfarrer wird nur von 30% der Befragten eine face-to-face-Begegnung für wichtig erachtet, auch Seelsorge oder das Agieren im Gemeindehaus ist nur für wenige zentral. – Die Diakonie steht hingegen bei fast allen in sehr gutem Ansehen, bei Evangelischen wie bei Konfessionslosen.
  4. Die Mitgliedszahlen schrumpfen weiterhin, und wir verlieren besonders die Jugend. Trotz aller Reformbemühungen gibt es somit kein umfassendes „Wachsen gegen den Trend“. Zwar brechen die Mitgliedszahlen nicht dramatisch ein, aber wir schrumpfen. Besorgniserregend ist, dass die Jugend je schlechter religiös sozialisiert ist. Denn wesentlich für die religiöse Sozialisation im ganzen Leben ist die Sozialisation in der Kindheit; und es kommt durch die, die wir verlieren, zum Kohorteneffekt. – Hier stellen sich grundlegende Herausforderungen: Wie können wir die Familien besser erreichen und stützen – gerade angesichts der Tatsache, dass sich das, was Familie ist, gerade erheblich ändert (siehe: Orientierungshilfe/Familienpapier der EKD)(Patchwork, Alleinerziehende, Regenbogenfamilien).
  5. Die Konfessionslosen sind nicht privat-Glaubende oder religiöse Bastler (solche gibt es eher in der Kirche!), sondern solche, denen Religion schlechterdings egal ist. Sie halten ihre Position nicht mehr für besonders begründungsbedürftig, sondern für normal, und sind kaum für die Kirche zu gewinnen. Believing without belonging gibt es kaum – vielmehr brauchen religiöse Praktiken und Überzeugungen Rückbindungen an Institutionen, um nicht mittelfristig zu verkümmern. Wer weg ist, ist weg – und nimmt seine Kinder und Enkel gleich mit.

PD Dr. Martin Wendte, Juni 2014

 

 

5 zentrale Thesen der 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung
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