Vernetzt und zugewandt – digitale Gemeinde gestalten
Ein Praxishandbuch, Philipp Greifenstein, Hanno Terbuyken, Neukirchener Verlag 2024, 24 Euro, 221 Seiten

Transparenzhinweis: Das Buch wurde mir – wohl auf Wunsch der Autoren – unaufgefordert zur Rezension zugeschickt.

Rezension

Macht es überhaupt Sinn, ein Buch über digitale Gemeinde zu schreiben? Verändert sich nicht alles viel zu schnell, so dass ein Buch schon in kürzester Zeit wieder überholt ist? Das Praxishandbuch versucht den Gegenbeweis anzutreten und das durchaus überzeugend. Während man sich online schnell verliert und als Gemeindeleitung nicht weiß, wo man anfangen soll, bietet das Buch eine gründliche Einführung in aktuelle Fragestellungen der digitalen Kirche und Gemeinde. Das liest sich für jemand wie mich, der schon lange dabei ist und als es Twitter (RIP) noch gab dort auch fröhlich unter dem Hashtag #digitaleKirche mitdiskutiert hat, eher zu breit und gründlich. Aber es hat den Vorteil, dass Entscheider:innen, die noch nicht so im Thema drin sind alle wesentlichen Aspekte ausführlich und leicht verständlich erklärt bekommen. Für mich wurde es also erst ab Kapitel 3 so richtig spannend, wo es um die Gemeinde-Website geht.

Ab da finden sich viele wertvolle Anregungen zu lohnenden Social-Media-Plattformen und Ausspielungswegen für inhaltlichen Kirchen-Content wie Messenger, Newsletter, Podcast, Video und Livestream.

Die beiden Autoren sind schon lange in der digitalen Kirchenbubble aktiv und haben erfreulicherweise auch einen Mastodon-Account (https://mastodon.social/@rockToamna und https://kirche.social/@dailybug). Philipp Greifenstein ist freier Journalist und Geschäftsführer des von mir immer wieder gern gelesenen Online-Portals “Die Eule”Hanno Terbuyken arbeitet als “Country Manager” für Churchdesk, einen Anbieter von Kirchensoftware. Früher war er Redakteur bei evangelisch.de und wir haben uns mal bei einem Barcamp Kirche persönlich kennen gelernt.

Tendenziell empfiehlt das Buch Mainstream-Strategien unter dem Motto “Wir müssen dahin, wo die Leute sind” (S. 132), obwohl auch Warnungen vor toxischen Plattformen und undurchschaubaren Algorithmen der kommerziellen Social-Media-Plattformen nicht fehlen. Für meinen Geschmack ist etwas zu viel die Rede von WhatsApp, das nach kirchlichem Datenschutzrecht gar nicht eingesetzt werden darf, sowie Facebook und Instagram. Mastodon wird zwar erwähnt, aber wie die anderen Mikroblogging-Dienste als irrelevant betrachtet: “Kirchengemeinde-Accounts auf Mikroblogging-Diensten wie X, Bluesky oder Mastodon sind sinnlos. Uns ist kein einziges funktionierendes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum bekannt.” (S. 142). Da bin ich doch deutlich anderer Meinung (siehe Meine Mastodon Tipps und Tricks): Als Gemeinden und Kirchenvertreter:innen sollten wir mitarbeiten am Aufbau nicht-toxischer Alternativen zu den kommerziellen Diensten, die von Hass und Hetze profitieren und auf bezahlte Reichweite setzen. Wie auf meinem Blog zu sehen ist ein Mastodon-Feed, der von engagierten Ehrenamtlichen gepflegt und auf die Gemeindehomepage eingebunden wird, durchaus eine Möglichkeit, niederschwellig Gemeindeleben sichtbar zu machen und kurzfristig auf Veranstaltungen hinzuweisen.

Anregend waren für mich vor allem Tipps zur Auswertung der Nutzung der Kirchenhomepage, die Idee online nicht nur in Dauerangeboten, sondern auch in Staffeln zu denken, die konkreten Beispiele, wie man aufwändige Vorgänge komplett digitalisieren kann und die Ermutigung zum digitalen Spenden.

Vermutlich weil Hanno Terbuyken durch seinen Arbeitgeber befangen ist, werden die Anbieter von Kirchensoftware nicht namentlich erwähnt und die konkreten Vor- und Nachteile nicht so erläutert, dass man eine Entscheidungsgrundlage hätte. Wir arbeiten wie die meisten Kirchengemeinden der ev. Landeskirche Württemberg mit Churchtools, das die Landeskirche im Paket eingekauft hat und sind sehr zufrieden damit. Vom Funktionsumfang und der Qualität her dürfte Churchdesk auf Augenhöhe sein.

Einer der ersten Digitalisierungs-Wünsche, als ich vor fünf Jahren in meine jetzige Gemeinde kam, war der nach einem digitalen Raumbuchungssystem, ohne das heute keiner mehr arbeiten will. Online lassen sich jetzt Veranstaltungen einsehen und belegte Räume feststellen, so dass alle Gruppen und Kreise eine Grundlage für ihre Terminplanung haben. Auch die Gottesdienstplanung mit vielen Beteiligten ist für uns nicht mehr wegzudenken. Sehr praktisch ist das Online-Anmeldeverfahren für Freizeiten und Ausflüge. Auch der integrierte Gruppen- und Einzelchat von Churchtools findet allmählich Anklang. Einen Newsletter (https://www.kemnat-evangelisch.de/angebote/newsletter) haben wir auf unserer Homepage mit dem kostenlosen Anbieter Mailchimp realisiert.

Fazit

Das Buch “Vernetzt & zugewandt” ist fachlich absolut auf der Höhe der Zeit. Auch komplizierte Sachverhalte werden so verständlich erklärt, dass man sich gut in die kompliziert Thematik einarbeiten kann. Trotzdem gelingt es den beiden Autoren mit vielen konkreten Beispielen wichtige Anregungen zur Weiterentwicklung digitaler Gemeinden zu geben. Ein Buch, das sowohl für Gremien von Kirchengemeinden empfehlenswert ist als auch für die ausführenden Digital-Expert:innen. Schade finde ich lediglich – aber da bin ich wohl in einer Minderheitsposition – dass dem Aufbau datenschutzfreundlicher Open-Source-Altenativen zu den kommerziellen Diensten (Fediverse, Matrix etc.) wenig zugetraut wird und dafür brennende Projekte wie LibreChurch eher in die komplizierte Nerd-Ecke verbannt werden.

Was nicht im Buch steht: Anbieter von Kirchensoftware

Bei einer kurzen Recherche habe ich diese vier Anbieter gefunden, die ersten zwei davon sind in Deutschland ansässig und gehen auf die Bedürfnisse hier wohl am besten ein, einen Blick wert sind aber sicher auch die aus dem englischsprachigen Raum kommenden Alternativen.

Und ihr so? Call to action 🙂

Wie sieht es mit dem Stand der Digitalisierung in eurer Gemeinde aus? Wer hat das Buch noch gelesen? Wie immer freue ich mich über Rückmeldung und weiterführende Anregungen unten in den Kommentaren!

Rezension “Vernetzt & zugewandt”
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