Noch immer kennen nicht alle den genialen Kurzfilm “Spin”.
Im Rahmen eines moderner gestalteten Gottesdienstes haben wir diesen Film gezeigt und ich habe ihn in der Predigt aufgegriffen. Zum Gottesdienst gehörte auch noch ein persönlicher Erfahrungsbericht eines Gemeindeglieds. Bernd Wildermuth hat im Artikel “Von der Black-Box zum Altar. Neue Wege der Gotteserkenntnis” einen Vorschlag gemacht, wie man diesen Film mit Konfis erarbeiten kann, veröffentlicht in den anknüpfen – Praxisideen für die Konfirmandenarbeit, (2. Auflage), S. 128-135.
Schriftlesung Mk. 4,35-41 (Die Sturmstillung)
Einleitung zum Film:
Wir sehen jetzt gleich einen Film des amerikanischen Filmemachers Jamin Winans, mit dem kurzen Titel „Spin“, was so viel bedeutet wie „Dreh“. Vielleicht haben Sie oder habt ihr schon mal etwas vom „Spin-Doctor“ gehört, der den Fakten einen kleinen „Dreh“ gibt, damit sie besser rüberkommen. Beim Tischtennis ist „Spin“ der Über- oder Unterschnitt. Der Ball fliegt dann merkwürdig anders.
Ein Ball spielt auch in dem Film eine Rolle und vor allem ein DJ, der diesem Ball einen anderen Dreh geben kann, indem er einen Regler am Mischpult dreht. Vor allem kann der DJ etwas, das wir auch manchmal gern könnten. Er kann die Zeit zurückdrehen und die Dinge noch einmal ablaufen lassen.
Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, hat er mich völlig fasziniert. Und ehrlich gesagt, habe ich bis heute nicht jedes Detail erfasst. Das Schöne ist, dass man ihn im Internet, z. B. auf Youtube, zu Hause noch einmal in Ruhe ansehen und sich seine Gedanken machen kann. Z. B. darüber, wer der merkwürdige DJ ist? Gott, ein Engel, eine Phantasiefigur?
Genug der Worte – Film ab!
[Spin (8’15) wird gezeigt]
Einleitung zu den Murmelgruppen
Jeder sieht diesen Film anders, sieht andere Details, legt sich eine andere Interpretation zurecht. Wir haben gedacht, es wäre schön, darüber einmal ins Gespräch zu kommen und nicht gleich von vorne mit der Predigt weiterzumachen. Wer mag, darf heute gern mal mit seinen Nachbarn, mit den Leuten in der Bank vor oder hinter sich reden und sich austauschen, was er oder sie gesehen hat und was das alles bedeuten könnte. Und wer sich lieber für sich seine Gedanken machen will, darf das natürlich auch tun. Es gilt nicht nur für Konfirmanden: Reden im Gottesdienst ist jetzt ausdrücklich erlaubt …
[ca. 2-3 Minuten Murmelgruppen]
Predigt
Liebe Welcome-Gemeinde,
jetzt wäre es natürlich spannend, zu hören, wie Sie diesen Film gesehen haben. Der DJ, der die Zeit zurückdrehen kann, ist das ein Engel, der von Gott auf die Erde geschickt wurde um das Schlimmste zu verhindern? Er kann den schlimmen Unfall gerade noch abbiegen. Solche Situationen hat wahrscheinlich jeder schon einmal erlebt, wir erst neulich auf der Straße: Da ist etwas gerade noch einmal gutgegangen oder glimpflich abgegangen. Da muss ein Schutzengel seine Finger im Spiel gehabt haben … Gott sei Dank!
Oder ist es Gott selbst? „Der Du die Zeit in Händen hast“, dichtet Jochen Klepper ein Lied zum Jahreswechsel. Wer weiß, vielleicht ist das, was wir als die eine Zeit mit einer Richtung erleben, tatsächlich die von Gott persönlich optimierte Version des Zeitlaufs? Nur Gott kann alles voraussehen, er existiert ja außerhalb von Raum und Zeit, ist Anfang und Ende. Wenn es einer kann, dann er: Die Zeit rückwärts gehen lassen, Dinge ungeschehen machen, schwierige Ereignisse aus der Vergangenheit so verändern, dass sie uns zum Segen werden wie Paulus sagt: „Denen, die Gott lieben müssen alle Dinge zum besten dienen.“
Gott hat uns als freie Menschen erschaffen. Wir können entscheiden, ob wir unser Geld für Drogen ausgeben oder ob wir es einem Straßenkünstler spenden. Wir können uns entscheiden, ob wir einen Ball, der uns zugespielt wird aufnehmen und damit tanzen.
Aber wir können auch nicht alles entscheiden. Vieles scheint vorherbestimmt. Manche Menschen nennen das Schicksal. „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“, sagen wir im Glaubensbekenntnis. Gott, der Allmächtige.
Dass Gott allmächtig ist, heißt nicht nur, dass er irgendwann einmal die Welt erschaffen hat, ein Uhrwerk in Gang gesetzt hat. Dass der allmächtig ist, bedeutet, dass er mit seiner Macht und seiner Liebe in allem, was geschieht, wirkt. „Aller Augen warten auf Dich Gott, Tiere und Menschen“, sagt Psalm 104, „dass Du ihnen Speise gibst.“ Jede Stunde meines Lebens, jede Sekunde kommt aus Gottes Hand. Egal ob mein Leben mit 90 Jahren endet oder durch einen tragischen Fahrradunfall mit 19. Gott wirkt im Alltäglichen, in dem, dass ich aufstehen und in die Schule gehen kann. In dem, dass ich in Verkehrsgefahren bewahrt werde. Ich habe vor kurzem selbst eine solche Situation erlebt, wo Gott eingegriffen und fast buchstäblich ins Lenkrad gegriffen hat.
Aber wie können wir merken, dass es tatsächlich Gott ist der eingreift? In dem Film scheint es nur eine zu geben, die etwas von diesem geheimnisvollen DJ begreift: das kleine Mädchen, das um seine zerbrochene Puppe trauert und dem DJ sehnsuchtsvoll hinterherschaut, bis dieser noch einmal umkehrt.
Wir haben die Geschichte von der Sturmstillung gehört: Jesus bedroht den Sturm: „Werde ruhig! Sei still!“ Da legte sich der Wind und es wurde ganz still. Die Jünger hatten Angst, unterzugehen. Jesus schläft hinten im Boot.
Oft kommt es uns so vor, als sei Jesus in den Stürmen unseres Lebens nicht dabei, höchstens schlafend. Wir lassen uns stressen. Während Jesus schläft, schlafen wir selbst schlecht oder gar nicht mehr. Die nächste Arbeit, ein Projekt im Beruf, ein Besuch beim Arzt. Trauen wir Gott wirklich zu, dass er eingreifen kann, den Lauf der Dinge ändern, so am Spin-Rad drehen, dass alles gut ausgeht? „Warum seid ihr so ängstlich, wo ist euer Glaube“, fragt Jesus auch uns. Habe ich euch nicht so oft sicher über den See gebracht? Warum vertraut ihr mir immer noch nicht?
Ein Gedanke noch: Welche Rolle spielt eigentlich das Beten? Das Mädchen fordert den DJ dazu auf, noch einmal seine Plattenspieler aufzubauen und in den Lauf der Dinge einzugreifen. Die Jünger wecken den schlafenden Jesus. „Bittet so wird euch gegeben“, sagt Jesus (Mt. 7,7) „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet“, ermahnt uns der Jakobusbrief. Abraham, der sich bei Gott fürbittend für Sodom einsetzt, verhandelt regelrecht mit Gott und handelt ihn herunter bis auf 10 Gerechte, für die Gott die Stadt verschonen soll. Wie halbherzig beten wir oft, lassen es nach einem kurzen Stoßgebet gut sein, bitten nicht penetrant wie die Witwe beim hartherzigen Richter, sondern oft schon halb resigniert: Es ändert sich ja eh nichts, aber versuchen kann man es ja mal.
Wie greift Gott ein in unser Leben, in den Lauf der Welt? Meist ist das nicht so spektakulär wie bei den Wundern in der Bibel. Das sind ja auch die Highlights aus vielen Jahrhunderten. Was mir an dem Kurzfilm „Spin“ so gefällt, ist, dass er uns zeigt: Gott kann ganz unmerklich eingreifen, aber es hat doch eine große Wirkung. Aus der Chaostheorie kennen wir den Schmetterlingseffekt. Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brazilien kann in Texas einen Tornado auslösen. Die Quantenphysik kennt „echten Zufall“. Wann ein Blatt vom Baum fällt, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Mir hilft die Vorstellung, dass all das Rädchen sind, an denen Gott drehen kann. Hier hat er sich in seiner Schöpfung Möglichkeiten zum Eingreifen offen gelassen, ohne dass die Menschen es erkennen müssen. Das schließt spektaktuläre, große Wunder gar nicht aus. Aber Gott wirkt eben mindestens genauso im Kleinen wie im Großen. Als Elia in einer Lebenskrise Gott am Horeb begegnet (1. Kön. 19), da ist Gott nicht im Sturm, nicht im Erdbeben und auch nicht im Feuer. Gott begegnet ihm in einem stillen, sanften Sausen, kaum spürbar, kaum wahrnehmbar, leicht zu bezweifeln: darin ist Gott.
Vielleicht liegt es ja daran, dass wir so oft nicht merken, wie Gott eingreift, dass wir die falsche Vorstellung davon haben. Wir sehen Gott nicht, wenn wir wohl behütet ankommen, sondern fragen uns erst dann, wo er war, wenn etwas passiert. Wir fragen Gott nicht danach, welche Berufsausbildung, welche Stelle für uns die richtige ist, sondern klagen ihn erst an, wenn wir beruflich in einer Sackgasse stecken. Wir danken Gott nicht für die Familie, die wir haben, sondern phantasieren uns in andere, vermeintlich bessere Familien hinein.
„Gott nahe zu sein ist mein Glück“, sagt die Jahreslosung. Zu spüren, dass Gott ganz konkret, in vielen Kleinigkeiten und in der großen Linie in meine Leben eingreift. Das gilt auch und gerade dann, wenn wir uns den Lauf der Dinge anders vorgestellt haben, wenn wir Schrammen und Blessuren abbekommen, wenn wir wie Hiob vom Leben gezeichnet sind oder wie die Jünger vom Sturm völlig durchnässt. Dann erst recht: Gott greift wunderbar ein. Oft wunderbar unauffällig, aber auch wunderbar wirksam. Oft so unauffällig, dass wir es nicht einmal merken. Gott sei Dank! Amen
Fürbittengebet
1. Allmächtiger Gott, unser Vater, du lenkst die Geschicke der Welt und hast auch unser Leben in der Hand. Gib uns diese Gewissheit, dass du eingreifen kannst. Lass uns entdecken, wo du es immer wieder im Kleinen tust. Stärke unser Vertrauen auf dich.
2. Allmächtiger Gott, unser Vater, wir klagen dir die Ungerechtigkeit auf unserer Welt, wo wir uns wünschen, dass du eingreifst und nichts davon sehen. Wo Starke die Schwachen mobben, ausgrenzen, frustrieren. Wo Menschen verletzt werden und ihre Verletzungen kultivieren. Wo der Streit kein Ende nimmt. Herr, erbarme dich!
3. Allmächtiger Gott, unser Vater, wir bringen unsere kleinen Sorgen vor dich, die unseren Alltag bestimmen. Die nächste Klassenarbeit, für die wir noch lernen müssen. Die Prüfung, die bald ansteht. Das heikle Gespräch mit der Kollegin. Die Entscheidung, die wir vor uns herschieben. Gib du Klarheit und zeige uns den richtigen Weg.
4. Allmächtiger Gott, unser Vater, du sagst uns, dass Glaube klein wie ein Senfkorn Berge versetzen kann. Klein ist unser Glaube, groß sind unsere Zweifel und Fragen. Lass uns erleben, dass durch unseren Glauben und dein wunderbares Wirken Berge versetzbar sind, dass Wunder geschehen, mit denen wir nicht gerechnet haben, dass Stürme plötzlich still sind als wären sie nie dagewesen.
5. Und höre uns jetzt, wenn wir gemeinsam beten …
Vater unser
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