Ein Gottesdienst zum Beginn der Fastenzeit zum Motto der Aktion “7 Wochen ohne”
Zusammen mit einem Team haben wir heute einen schönen Gottesdienst gefeiert, der vielleicht zur Nachahmung anregt. Dabei gab es auch einen kleinen Selbsttest zur Frage “Hast du ein weites Herz?” (Download hier) Nach der Predigt durfte jeder auf ein Post-it-Herz schreiben, was sein Herz weit macht. Daraus entstand an einer Flip-Chart-Tafel dieses schöne offene Herz.
In einer Pantomime (Mikro zeigt auf eine/n Gottesdienstbesucher/in) mit Stimmen aus dem Off wurde das schwarze Herz auf der Flip-Chart-Tafel eingeführt mit lauter negativen Begriffen:
Bitterkeit, Groll, Enge, Einsamkeit, Härte, Angst, Starrsinn, Zwanghaftigkeit, Gleichgültigkeit, Unversöhnlichkeit, Pedanterie, Perfektionismus, Kritiksucht.
Prezi zur Predigt
Parallel zur Predigt wurde diese Prezi-Präsentation gezeigt. Die Bilder stammen übrigens fast alle von http://www.pixabay.de, wo man CC0-Bilder bekommt. Tipp für alle, die Prezis unter Linux gestalten oder anschauen wollen: Das geht nur mit google-chrome.
Predigt
[prezi-Präsentation: Gesamtbild, Folie 1]
Liebe Gemeinde,
jetzt haben wir schon ganz schön viel über Enge gehört. Jetzt wird es langsam Zeit, dass wir ein bisschen offener werden. „Großes Herz. Sieben Wochen ohne Enge“ heißt das Motto der diesjährigen Fastenaktion der evangelischen Kirche.
[Folie 2 Bild Fastenaktion]
Die Mottos der Fastenaktion sind immer irgendwie gegen den Strich gebürstet. Mit Fasten verbindet man ja eigentlich Beschränkung, sich in die Innerlichkeit zurückziehen, ein Einsiedlerdasein führen.
Sieben Wochen ohne Enge mit großem, weitem Herz unterwegs sein. Was für ein Vorsatz.
Weite – was ist das eigentlich? Was drückt für uns Weite aus?
[Folie 3 Übersicht Bilder, die Weite ausdrücken]
Ich liebe die Berge. Wenn man aus der Enge der Täler heraus ist und oben angekommen ist er fast magisch, dieser Blick in die Weite.
[Folie 4: Berge]
Andere erleben das am Meer.
[Folie 5: Sonnenuntergang am Meer]
70% der Gesamtfläche der Erde besteht aus Meer. Wenn man am Strand sitzt und der Erdkrümmung hinterherschaut und die Wellen heranrollen sieht, spürt man etwas davon, wie eng und festgelegt das Leben an Land manchmal ist.
Auch beim Fliegen kann man Weite spüren.
[Folie 6: Möwe]
Weite gibt es aber nicht nur in der Natur. Es gibt auch Menschen, bei denen spürt man: Die haben etwas erlebt. Ihr Horizont endet nicht an den Dorfgrenzen.
[Folie 7: Mann]
Ihren Rat sucht man, weil sie sich in andere hineinversetzen können.
Auch unter vielen Menschen kann man Weite erleben. Wenn es bunt und international wird, wenn jeder anders ist und einen doch etwas verbindet.
[Folie 8: Internationales Zeltlager]
Was drückt für dich, was drückt für Sie Weite aus?
[Folie 9 Fragezeichen]
Welches Bild müsste hier an Stelle des Fragezeichens sein?
Hören wir, was der heutigen Predigttext zum Sonntag Invocavit zum Thema weites Herz zu sagen hat.
Ich lese aus dem Hebräerbrief (Hebr. 4,14-5,3 – Basisbibel)
[Folie 10 Wie gesagt …]
Wie gesagt: Wir haben einen Obersten Priester von einzigartiger Bedeutung, der in die Himmel gelangt ist: Es ist Jesus, der Sohn Gottes. Lasst uns also an dem Bekenntnis zu ihm festhalten!
Er ist kein Oberster Priester, der unsere Schwachheit nicht mit uns erleiden könnte. Er wurde genau wie wir in jeder Hinsicht auf die Probe gestellt. Nur blieb er ohne Schuld.
[Folie 11 Lasst uns also …]
Lasst uns also voller Zuversicht vor den Gnadenthron treten. Dort werden wir Mitleid empfangen und Gnade finden. Und wir werden Hilfe bekommen, wann immer wir sie brauchen.
Jeder Oberste Priester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt.
Er tritt vor Gott für sie ein, indem er Gaben und Opfer darbringt, damit ihre Schuld vergeben wird.
[Folie 12 Er besitzt die Fähigkeit …]
Er besitzt die Fähigkeit, mit den unwissenden und irregeleiteten Menschen verständnisvoll mitzuleiden. Denn auch er selbst ist der menschlichen Schwachheit unterworfen.
Ihretwegen muss er auch für sich selbst Opfer zur Vergebung der Schuld darbringen – genauso wie er es für das Volk tut.
[Folie 13 Überblick über alle drei Textteile]
Jesus wird uns hier vor Augen gestellt. Als der Oberste Priester. Wissen alle, wer das genau ist, was er macht? Als der Tempel des Volkes Israel noch stand, war er der einzige Mann, der das Allerheiligste im Tempel betreten durfte. Dort stand die Bundeslade, die man immer mit der besonderen Gegenwart Gottes verbunden hatte. Kein unreiner Mensch durfte sich ihr nähern, sonst konnte es gefährlich werden. An Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag, brachte der Oberste Priester dort ein Opfer und erwirkte damit die Vergebung für die Sünden des Volkes.
Jesus ist dieser Oberste Priester sagt der Hebräerbrief. Und er bringt kein Tier als Opfer, sondern am Kreuz ist er selbst als Opfer gestorben. Ein für allemal.
Um diesen Jesus geht es. Wie er mit uns umgeht.
Und jetzt denkt man: So ein Oberster Priester ist streng und herzlos wie die meisten Führungspersönlichkeiten. Oder hat hier jemand einen guten Chef, eine mitfühlende Klassenlehrerin? Aber Jesus ist anders: „Er ist kein Oberster Priester, der unsere Schwachheit nicht mit uns erleiden könnte. Er wurde genau wie wir in jeder Hinsicht auf die Probe gestellt.“
Jesus hat Schwachheit erlebt. Er hat sich erniedrigt und er ist von Menschen erniedrigt und gedemütigt worden. Das gab ihm sein weites Herz, dass er mitfühlen kann.
Deshalb meine erste These:
[Folie 14]
-
Wer Schwachheit zulassen kann, bekommt ein weites Herz.
Wenn wir uns als Christen mit Sünde und Schuld beschäftigen, gibt es eine große Gefahr: dass wir uns darauf fixieren, dass wir auf die Sünde starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Dass wir immer bei anderen die gleichen Fehler entdecken, die wir selbst nicht los werden. Dass wir hartherzig und unbarmherzig werden.
Lassen wir doch unsere Schwachheit zu, geben sie zu und gehen damit zu Gott, an den Gnadenthron, den Jesus uns gezeigt hat.
Meine Kollegin hat bei Beerdigungen für schwierige Menschen eine bestimmte Formulierung verwendet: „Er hat es sich und anderen nicht immer leicht gemacht.“ Jeder wusste dann, was gemeint war. Menschen, die ihre eigene Schwäche nicht einsehen wollen und zugeben können, machen es auch anderen schwer. Tu nicht immer so als wärst du perfekt. Du bist es nicht. Musst es auch gar nicht sein. Jesus liebt schwache Menschen, weil er selbst Schwachheit erlebt hat.
„Lasst uns also voller Zuversicht vor den Gnadenthron treten. Dort werden wir Mitleid empfangen und Gnade finden.“
Mitleid und Gnade. Das führt zu meiner zweiten These:
[Folie 15]
2. Mitleid macht das Herz weich und weit.
Für Mitleid steht im Griechischen der Begriff „eleos“, was auch mit Erbarmen wiedergegeben wird. Wir kennen das aus „Kyrie eleison“, Herr erbarme dich.
Mitleid hat bei uns keinen guten Ruf. Wenn einer mitleidig ist, klingt das fast nach wehleidig. Dabei hören wir von Jesus öfter, dass ihm etwas „durchs Herz“ geht.
Wer hartherzig ist, lässt sich nicht berühren, ist nicht empathisch, kreist nur um sich selbst statt die Schwingungen der anderen aufzunehmen.
In Hesekiel 36 gibt es dazu einen wunderbaren Bibelvers:
[Folie 16]
Hes. 36, 26 (Gute Nachricht). Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Ich nehme das versteinerte Herz aus eurer Brust und schenke euch ein Herz, das lebt.
Das ist ein Wunder des Heiligen Geistes, dass versteinerte Herzen wieder mitfühlend werden. Wenn ich nicht nur meine Note in der Klassenarbeit sehe, sondern merke, dass meine Mitschülerin leidet, weil sie wieder nicht über eine vier hinauskam. Wenn ich bei den Flüchtlingen nicht nur an Krise und Obergrenze denke, sondern an den einzelnen Menschen, der Hilfe braucht. Wenn ich beim Gespräch mit den Schwiegereltern nicht nur sehe, was in dieser Familie alles anders ist als in meiner, sondern merke, wo es wirklich hakt und lerne mich hineinzufühlen in ein anderes Familiensystem.
Gott will uns ein fleischernes Herz geben, eines das höher schlagen und sich aufregen kann, wenn es Unrecht erlebt. Eines, das mich in Bewegung bringt hin zum anderen. Eines, das aber auch verletzlich ist – anders als das Herz aus Stein, eines der empfindlichsten Organe, das wir haben.
Hesekiel hat eine richtige Vision: Wie wäre es denn, wenn wir alle ein weites, lebendiges Herz hätten? Wie würde unsere Welt dann aussehen? Hören wir nicht auf, mit ihm zu träumen, denn dieser Traum soll Wirklichkeit werden und er wird es überall da, wo wir Gottes Geist wirken lassen.
3. Hat das weite Herz auch Grenzen?
Zum Schluss habe ich noch eine vielleicht provozierende Frage: Gibt es eigentlich auch Grenzen für ein weites Herz? Wo ist denn auch mal Schluss?
Zum Thema Herz gibt es ja viele Formulierungen. Weitherzig, sie hat ein gutes Herz. Eine großherzige Person. Interessant übrigens, dass es engherzig nicht gibt, nur engstirnig. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass man nur mit dem Herzen, weniger mit dem Gehirn gut sieht, die berühmte Formulierung aus dem kleinen Prinzen.
Da gibt es noch „treuherzig“. Das hat einen leicht ironischen Unterton. „Die ist immer so treuherzig.“ Und klingt fast ein wenig nach treudoof.
Was ist, wenn andere Menschen unsere Offenheit ausnutzen. Wenn sie nicht ebenfalls ihr Herz öffnen, sondern herumtrampeln auf unserem nach außen gekehrten Herzen?
Von Bert Brecht gibt es ein interessantes Theaterstück über den Guten Mensch von Sezuan. Die gutherzige Shen Te will allen helfen. Aber sie wird gnadenlos ausgenutzt. Deshalb erfindet sie ihren Cousin Shui Ta, er wirft die Familie, der Shen Te helfen will brutal aus dem Laden.
Im Theaterstück gibt es keine Lösung für diese Problem. Es endet mit der berühmten Formulierung:
„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Kann man als weitherziger Mensch leben, ohne dabei drauf zu gehen? Kann ich offen bleiben gegenüber anderen, selbst wenn dies manchmal ausgenutzt wird? Bleibe ich liberal und tolerant, selbst wenn andere mich in eine Ecke stellen, aus der sie mich nicht mehr herauslassen?
Ich glaube auf diese Frage gibt es keine fertige, logische, einfache Antwort, aber eine Verheißung. Die Verheißung Jesu in der Bergpredigt: (Mt. 5,7-10):
[Folie 17]
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Heute ist der erste Sonntag der Fastenzeit. Wie wärs mit 7 Wochen ohne Enge. Mit Offenheit und Vergebungsbereitschaft. Mit Mitleid und einem höher schlagenden Herz. Wie wäre es, wenn wir Zuflucht suchen würden bei Jesus, der genau dieses offene, liebende Herz für uns hat. Und verzichten wir stattdessen mal auf die Hartherzigkeit. Auch wenn es schwer fällt. Amen.
[Folie 18 Gesamtübersicht, diese noch eine Weile stehen lassen]
Ablauf
● Glocken
● Vorspiel der Orgel
● Begrüßung
● Eingangslied: Herr, ich komme zu dir (NL 51)
● Gebet und stilles Gebet
● Vortragslied
● Lied: Auf und macht die Herzen weit
● Psalmgebet im Wechsel Ps. 57 EG 728
● Lied: Herzen, die kalt sind wie Hartgeld
● Aktion: hartherzig-enge Begriffe
● Einleitung und Selbsttest (Quiz: Wie offen/eng bin ich)
● Predigt über Hebr. 4,14-16 und Hes. 36,26
● Herzenssache: Wodurch wird mein Herz weit (Jeder schreibt etwas auf die Post its und bringt es nach vorne)
● Lied: Du stellst meine Füße auf weiten Raum (NL 29)
● Fürbitten
● Vater unser
● Lied: Meine engen Grenzen (EG 589,1-4)
● Abkündigungen
● Verleih uns Frieden gnädiglich (EG 421)
● Segen
● Nachspiel: Vortragslied
Eingangsgebet
Gib mir ein neues, ungeteiltes Herz, Herr, so beten wir, bitten wir dich. Und kommen zu dir, wie wir sind. Ungeschminkt. Du siehst uns ohnehin ins Herz. Da ist vieles, was uns umtreibt. Echte Liebe und Sorge um andere Menschen genauso wie Gefühle des Verletztseins, Rachgedanken, Frustration.
Wir brauchen Dich, Gott, um zu uns zu finden. Deine Nähe tut uns gut und verwandelt uns. Die Gemeinschaft mit anderen, die an dich glauben, hilft uns. Schenke uns Herzlichkeit im Umgang miteinander und lass uns die große Liebe spüren, die du uns entgeg enbringst.
Fürbittengebet (3 Personen)
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Herr, unser Gott, Du stellst unsere Füße auf weiten Raum. Wir bitten dich: Mach uns mutig, darauf Wege zu gehen. Zeige uns Menschen, zu denen wir gehen sollen. Gib uns Kraft für den nächsten Schritt, wo wir nicht mehr weiter wissen. Hilf uns, in unserem Nächsten Dich zu erkennen.
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Herr, unser Gott, viele Menschen leiden Not. Sie leben in Kriegsgebieten, sind auf der Flucht. Wir bitten dich um Einsicht für die politisch Verantwortlichen, dass sie Wege zum Frieden finden. Wir bitten dich für die Opfer, dass sie menschenwürdig behandelt werden und Zuflucht finden. Wir bitten Dich für unser Land, dass nicht Misstrauen und Hass die Oberhand gewinnen und sich gute Wege für ein Miteinander finden lassen.
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Herr, unser Gott, wir bitten dich für deine Kirche. Oft fühlen wir uns kraft- und leblos. Gib du deinen Geist, mach uns mutig von dir zu reden. Lass unsere Gemeinde einen Ort der Herzlichkeit und Menschenfreundlichkeit sein und noch mehr werden. Ein Ort, wo Menschen entdecken, dass sie von dir unendlich geliebt werden. Dass sie kommen dürfen, wie sie sind. Und Veränderung und Heilung erfahren.
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