habe ich ausführlich geprüft, siehe die Links unten. Sie lautet: Prüft alles und behaltet das Gute! (1. Thess. 5,21)
Hier sind sie ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Prüfer sein ist mindestens so anstrengend wie Prüfling. Gott adelt uns, indem er uns zu Prüfer:innen ernennt und nicht nur uns prüft.
- Alles prüfen heißt radikal offen sein für neue Ideen, die Gottes Geist mir oder anderen eingibt.
- Bevor man Dinge verwirft und sich negativ abgrenzt (V. 22), sollte man sich positiv darauf einlassen.
- Religiöse Vielfalt sowohl im Christentum als auch außerhalb muss uns keine Angst machen, weil es überall Gutes zu entdecken gibt, das zu Gottes Willen passt. Auch die Thessalonicher lebten in einer solchen vielfältigen religiösen Umwelt, auf die wir gerade wieder zugehen.
- Das Gute ist auch das Schöne und hat eine ästhetische Dimension, denn das Gute wird im Leben sichtbar.
- Loslassen von dem, was nicht gut für mich ist, macht frei.
- Geistlicher Missbrauch widerspricht der Pflicht, alles selbst von Gott her zu prüfen.
- Den Sand der Möglichkeiten und möglichen Wahrheiten zu sieben lohnt sich. Anfangen kann man wie Sokrates mit dem Sieb der Wahrheit, dem Sieb des Guten und dem Sieb der Notwendigkeit (vgl. https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/die-drei-siebe-des-sokrates-wahrheit-gute-notwendigkeit/).
- Wer nicht aussortiert, endet als spiritueller Messie, dem alles gleich gut erscheint, der aber nie das findet, was gerade wirklich dran ist. Es gibt keine Innovation ohne Exnovation, also das Aufgeben von Veraltetem.
- Es empfiehlt sich, im Lauf des Lebens ein gedankliches oder noch besser schriftliches Schatzkästlein anzulegen mit all dem Guten, all den wichtigen Erkenntnissen, die man festhalten will. Ganz nach dem Motto: Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat (Ps. 103,2).
Gottesdienst zur Jahreslosung am 1.1.25 aus Ostfildern-Kemnat
Predigt
Liebe Gemeinde,
manche denken ja, es ist total einfach bei einer Prüfung auf der Seite der Prüfer zu sitzen. Man muss ja nicht die richtigen Antworten geben, sondern nur ein paar Fragen stellen und am Schluss eine Beurteilung abgeben. Ich darf immer wieder Prüfungen von Vikaren abnehmen und bin danach immer ziemlich erschöpft. Denn es ist nicht nur anstrengend geprüft zu werden, sondern auch Prüfer zu sein.
Die Jahreslosung 2025 AUS 1. Thess. 5,21 macht uns alle zu Prüfern. Sie lautet: Prüft alles und behaltet das Gute.
Prüfen wir mal ob das klappt, bitte wiederholen …
Wie immer lohnt es sich bei einem Vers, an dem so viel aufgehängt werden soll, nach dem Zusammenhang zu schauen.
Der Vers stammt aus dem ersten Brief des Paulus an die Thessalonicher, den er wohl um 50 n. Chr. geschrieben hat. Dies ist wohl der älteste Text des neuen Testaments, älter als die Evangelien und die andere Briefe dort. Er geht schon über zu den Ermahnungen, die oft am Ende eines Briefes stehen.
Was wir nicht vergessen dürfen: Die thessalonicher Gemeinde hatte noch nicht wie wir das neue Testament, das sie zu Rate ziehen konnte. Außer den Schriften unseres Alten Testaments hatten sie nur die Erinnerung an ihren Gemeindegründer Paulus und das, was der Geist ihnen eingab.
Ich lese uns den Bibeltext aus 1. Thess. 5 ab V. 14:
[14] Brüder und Schwestern, wir bitten euch:
Weist diejenigen zurecht,
die kein geregeltes Leben führen.
Ermutigt die Ängstlichen,
kümmert euch um die Schwachen,
und habt Geduld mit allen.
[15] Achtet darauf, dass niemand Böses mit Bösem vergilt.
Bemüht euch vielmehr stets,
einander und allen anderen nur Gutes zu tun.
[16] Freut euch immerzu!
[17] Betet unablässig!
[18] Dankt Gott für alles!
Denn das ist Gottes Wille,
und das hat er durch Christus Jesus
für euch möglich gemacht.
[19] Unterdrückt nicht das Wirken des Heiligen Geistes.
[20] Missachtet die prophetische Rede nicht.
[21] Prüft aber alles und behaltet das Gute.
[22] Haltet euch vom Bösen fern –
wie auch immer es aussieht.
Wir werden also zu Prüferinnen und Prüfern ernannt. Das ist eine große Ehre. Oft ist nämlich die Rede in der Bibel davon, dass Gott uns prüft und unsere Werke. Aber wir sollen hier selbst entscheiden als mündige Christenmenschen.
Und wir sollen zweitens sogar alles prüfen. Alles ist ganz schön viel. Wir sollen nichts von vornherein ausschließen von dem, was beansprucht von Gott her als Lebensweisung zu uns zu kommen.
Wir sollen mit radikaler Offenheit durchs Leben gehen und unseren Suchradar nicht vorschnell einengen. Wir sollen erst einmal optimistisch sein, man könnte ja etwas Gutes daran oder darin finden. Sicher, wie man in V. 22 liest, gibt es auch das Böse, von dem wir uns fernhalten sollen. Aber das Gute hat in V. 21 Priorität.
Ich glaube eine solche Lebenshaltung des Optimismus, „freut euch immerzu“ in V. 16 steht uns gut an im neuen Jahr und überwindet die deutsche und sicher auch allgemein menschliche Angst, die immer befürchtet, es könnte noch schlimmer kommen.
Große Offenheit lese ich auch gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen heraus. Habt Geduld mit allen. Da würde ich auch die dazuzählen, die die Wahrheit des Evangeliums noch nicht erkannt haben. Auch von Nichtchristen können wir viel Gutes lernen und ihnen dann umso glaubwürdiger das Zeugnis unseres Glaubens weitergeben.
Ein Punkt kam mir in den Auslegungen der Jahreslosung, die ich gefunden habe, zu kurz. Was ist denn das Gute genau? Im Griechischen steht da das Wort kalos. Dafür muss man wissen, dass es im Griechischen noch ein Wort für das Gute gibt, agathos. Agathe lässt grüßen. Kalos hat als Grundbedeutung auch das Schöne. Im Wort Kalligraphie ist das enthalten, der Schön-Schrift. Das Gute, um das es hier in der Jahreslosung geht, ist das sichtbare Gute, so wie man als Lob zu einem Kind sagt: Das hast du schön gemacht!
Ja, das Schöne darf bei uns eine Rolle spielen, denn Gott ist schön und er liebt Schönheit. Das Böse ist hässlich, unharmonisch, unästhetisch. Und es tut gut, sich auf das Schöne einzulassen, wenn es mit Gott verbunden ist, etwa in der Musik oder in der darstellenden Kunst, in schönen Kirchenräumen oder in Gottes Schöpfung.
Wie kann dieses Prüfen nun konkret aussehen? Zuerst einmal ist es ein gemeinsames Prüfen, der Auftrag steht ja im Plural. Wir können mit anderen ins Gespräch kommen, sag mal, was meinst du zu dieser heiklen Frage?
Vielleicht hilft uns auch eine kleine Geschichte von Sokrates.
Sokrates spazierte durch die Straßen von Athen. Plötzlich kam ein Mann aufgeregt auf ihn zu. „Sokrates, ich muss dir etwas über deinen Freund erzählen, der…“ „Warte einmal, „unterbrach ihn Sokrates. „Bevor du weitererzählst – hast du die Geschichte, die du mir erzählen möchtest, durch die drei Siebe gesiebt?“ „Die drei Siebe? Welche drei Siebe?“ fragte der Mann überrascht. „Lass es uns ausprobieren,“ schlug Sokrates vor. „Das erste Sieb ist das Sieb der Wahrheit. Bist du dir sicher, dass das, was du mir erzählen möchtest, wahr ist?“ „Nein, ich habe gehört, wie es jemand erzählt hat.“ „Aha. Aber dann ist es doch sicher durch das zweite Sieb gegangen, das Sieb des Guten? Ist es etwas Gutes, das du über meinen Freund erzählen möchtest?“ Zögernd antwortete der Mann: „Nein, das nicht. Im Gegenteil …“ „Hm,“ sagte Sokrates, „jetzt bleibt uns nur noch das dritte Sieb. Ist es notwendig, dass du mir erzählst, was dich so aufregt?“ „Nein, nicht wirklich notwendig,“ antwortete der Mann. „Nun,“ sagte Sokrates lächelnd, „wenn die Geschichte, die du mir erzählen willst, nicht wahr ist, nicht gut ist und nicht notwendig, dann vergiss sie besser und belaste mich nicht damit!“ (nach Stangl, 2025, https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/die-drei-siebe-des-sokrates-wahrheit-gute-notwendigkeit/).
Ich würde nach der Jahreslosung des letzten Jahres – die können sicher alle noch? – „Alles was ihr tut geschehe in Liebe“ noch mindestens das Sieb der Liebe hinzufügen.
Und es gibt weitere wichtige Siebe: Passt es zu dem, was in der Bibel steht? Die Reformatoren prüften die ganze Tradition an diesem Maßstab der Schriftgemäßheit und so sollten auch wir das tun.
Wichtig scheint mir auch, dass jeder selbst prüfen soll. Das schließt Verhältnisse aus, in denen geistliche Autoritären für andere entscheiden, was für sie richtig ist. Dabei geht es letztlich um das Thema geistlichen Missbrauch, für das es in den letzten Jahren wie für alle Übergriffigkeiten eine erhöhte Sensibilität gibt. Niemand hat das Recht, mir vorzuschreiben, wie meine Prüfung ausgehen muss. Natürlich sollen wir als Geschwister im Glauben gegenseitig ermahnen und zurechtweisen. Aber das eigenständige Denken und auf Gott Hören kann mir niemand abnehmen. Wo Gemeinden ein solches falsches Verständnis von Leiterschaft haben, sollte man sie schleunigst verlassen. Denn es gilt, was Paulus in Gal. 5,1 sagt:
Christus hat uns befreit,
damit wir endgültig frei sind.
Bleibt also standhaft und unterwerft euch nicht wieder
dem Joch der Sklaverei!
Ja, das Aussieben ist notwendig. Auch im neuen Jahr. Viele haben ja gute Vorsätze und überlegen, was sie weglassen wollen und aufgeben an schlechten Gewohnheiten: Weniger Zeit am Smartphone verbringen, weniger ungesunde Nahrungsmittel essen, weniger Stress und so weiter. Auch wenn wir als Gemeinde vorankommen wollen, müssen wir Dinge aufgeben. Neumodisch sagt man dazu: Keine Innovation ohne Exnovation. Nur wenn wir lieb gewordene Traditionen in Frage stellen und auch einmal etwas weglassen, das man schon immer so gemacht hat, gibt es echten Fortschritt und eine bessere Zukunft.
Das gilt auch für jeden persönlich. Ich weiß nicht, ob jemand mal einen echten Messie erlebt hat. Messies sind Menschen, die sich von keinem Gegenstand trennen können. Man weiß ja nie, wofür man das noch einmal brauchen könnte. Ich gebe ehrlich zu, dass auch mir das Wegwerfen schwer fällt. Aber die Folgen sind fatal: Gerade weil Messies alles aufheben, finden sie nichts mehr. Wenn man das Gute gefunden hat, dann kann man das Schlechte und Böse auch getrost wegwerfen. Man braucht es nicht mehr …
Noch ein letzter Punkt: Wenn wir das Gute prüfen und behalten sollen, dann lohnt es sich, auch eine Art Prüf-Tagebuch zu führen, sich ein Schatzkästlein anzulegen, wo man gute Gedanken und Ideen, Eingebungen von Gott her festhält. Vielleicht ist heute der richtige Tag, um damit anzufangen. Das kann ein Dankbarkeitstagebuch sein oder ein digitaler Notizblock sein.
In Ps. 103,2 lesen wir die Aufforderung: Vergiss nicht, was er, Gott, dir Gutes getan hat. Auch in diesem Sinne lohnt es sich, das Gute zu behalten. „Dankt Gott für alles“, lesen wir in V. 18. Uns prägt sich ja leider das Schlechte oft viel mehr ein, die negativen Erfahrungen, da, wo uns jemand verletzt hat. Wir schleppen das als innere Wunde mit uns herum, oft ein Leben lang. Dabei wäre es gut, wenn wir das mit Gottes Hilfe möglichst schnell loslassen könnten, um Raum zu schaffen für all das Gute, das es zu entdecken gibt.
Prüft alles und behaltet das Gute. Dieser Bibelvers enthält so viel Weisheit und Optimismus, er ist alles andere als banal. Möge Gott uns schenken, dass wir viel Neues und Gutes entdecken in diesem Jahr 2025. Amen.
Ideen für Kinfo und Jugendarbeit
folgen 🙂
Bild
Sehr ansprechend finde ich dieses Bild: (https://pixabay.com/photos/vietnam-cultured-pearls-jewellery-4870120/).
Offensichtlich werden da in Vietnam Zuchtperlen sortiert.
Siehe auch dieses Bild von Gunther Seibold:
Das erinnert auch an das Märchen von Aschenputtel: “die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen”. Bilder dazu hier: https://grimmbilder.fandom.com/de/wiki/%E2%80%A6_die_guten_ins_T%C3%B6pfchen,_die_schlechten_ins_Kr%C3%B6pfchen!
Lieder und Videos
Bewährt und diesmal wieder sehr schön aus dem ejw Württemberg (Gottfried Heinzmann und Hans-Joachim Eißler, vgl. https://jahreslosung.net/so-viel-gutes-lied-zur-jahreslosung-2025-materialien/ Das gibt es wieder wunderbar aufbereitet als Melodie, Chorsatz, Bläsersatz, Playback-Song, Song mit Singstimme und Video. Tipp für das Video, in dem diesmal der Text nicht im Video zu finden ist: Auf Youtube die Untertitel anstellen, dann kommt der Text zum Mitsingen.
Jahreslosungslied auf schwäbisch, guck amol:
Gnau gugga von Heidi Spengler
Nur halb so schön, die hochdeutsche Version:
Materialien und Links
- Immer sehr wertvoll: die Gedanken von Tobias Faix zur Jahreslosung: https://tobiasfaix.de/2024/12/vom-umgang-mit-dem-wirken-des-geistes-missbrauchspraevention-und-muendiger-glaubensentwicklung-herausforderndes-ueber-die-jahreslosung-2025-prueft-alles-behaltet-das-gute-1-thes/
- Exegese und praktisch-theologische Anregungen von “Exegese für die Predigt” auf den Seiten der Deutschen Bibelgesellschaft: https://www.die-bibel.de/ressourcen/efp/reihe1/jahreslosung-1-thessalonicher-5
- Impulse zur Jahreslosung von Andreas Loos und Thorsten Dietz: https://fokustheologie.ch/wp-content/uploads/2024/11/LWE_Jahreslosung-2025.pdf
- Artikel zu Kalos = das Gute, das gleichzeitig das Schöne, das nach außen sichtbare Gute ist: https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/neues-testament/gut-gueter-nt
- TÜV-orientiertes Jahreslosungsbild meines Dekans Gunther Seibold: https://www.gunther-seibold.de/jahreslosungen/t_jahre_2025.htm
- Jahreslosungbild von Hanna Schneider aus Scharnhausen: Poster und Karten zur Jahreslosung 2025 von Hanna Schneider
- Siebmotiv von Stefanie Bahlinger mit Gedanken dazu: https://www.kirche-obernkirchen.de/jahreslosung-2025/
Feedback und weitere Ideen
Ich freue mich, wenn es auch hier im Blog in den Kommentaren unten weitere Ideen gibt oder einfach ein nettes Dankeschön, denn es macht ja auch Arbeit, das alles zusammenzuschreiben. Schreibt mir gerne, was ihr inspirierend fandet und wo ihr etwas aufgegriffen habt in eurer Arbeit oder für euch ganz persönlich. Das geht auch per Mail 🙂