Am Sonntag war ich bei der Verwandtschaft zu einer freikirchlichen Jugendsegnung eingeladen. Keine Konfirmation, aber doch so etwas Ähnliches. Ein Freund war dabei, der sich nicht konfirmieren lassen wollte, aber auch nicht – wie in Weimar sonst üblich – an der Jugendweihe teilnehmen wollte. Er war noch nicht getauft. Darf er sich segnen lassen? Selbstverständlich! Warum auch nicht.
Theologisch und kirchenrechtlich stellt sich hier ein grundsätzliches Problem, das m. E. zu selten hinterfragt wird. Voraussetzung für die Konfirmation ist die Taufe. Von ihrer Herkunft aus der Alten Kirche her ist die Confirmatio die Handauflegung und Salbung, verbunden mit dem Zuspruch des Heiligen Geistes. Ursprünglich war die Confirmatio ein Element der Taufliturgie, später konnte sie zeitlich abgelöst werden, vor allem, weil nur der Bischof sie vollziehen durfte.
Martin Luther hat sich gegen das Sakrament der Firmung, damals “Firmelung”, also Firm-Ölung, gewehrt, war es doch weder biblisch klar bezeugt noch opportun, ein Sakrament “gefegt” fortzuführen, das im Volk stark mit der Autorität der Bischöfe verbunden war. Die Landesherren als Notbischöfe konnten hier nicht einspringen. Außerdem hatte Luther Angst, durch die Confirmatio die Taufe zu schwächen, die für ihn Ausdruck der Rechtfertigung allein durch Gnade war. Erst durch Martin Bucer kam es in Hessen in Auseinandersetzung mit Täufern zur Einführung der Konfirmation. Konfirmandenunterricht wurde verstanden als nachgeholter Taufunterricht, durchaus plausibel in einer Zeit, in der praktisch alle christlichen Kinder getauft wurden.
Wie sieht es heute aus? Spannend sind die Ergebnisse eines Projekts der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg “Taufentscheidungen erkunden und verstehen”, deren Ergebnisse äußerst lesenswert sind (Download hier: Taufentscheidungen erkunden und verstehen). Sie bestätigen Aussagen, die jede/r Gemeindepfarrer/in kennt: “Ich will mein Kind später einmal selbst entscheiden lassen, deshalb warten wir mit der Taufe.” Zumindest im städtischen Bereich sind immer mehr Kinder evangelischer Eltern nicht getauft. Dass die Zahl der Ungetauften im Konfirmandenunterricht nicht zunimmt, ist dabei nicht beruhigend, sondern alarmierend: Denn viele der Ungetauften entscheiden sich vermutlich gegen eine Teilnahme an der Konfirmationsvorbereitung. Sie werden von der Statistik leider nicht erfasst und stellen vermutlich einen schleichenden Aderlass an Kirchenmitgliedern dar.
Für Pfarrer/innen gibt es übrigens keine Pflicht, nicht getaufte Jugendliche auf die Konfirmation vorzubereiten:
5.3 Nicht getaufte Kinder können in den Konfirmandenunterricht aufgenommen werden. Den Erziehungsberechtigten und dem Kind ist mitzuteilen, daß der Unterricht in diesem Fall Taufunterricht ist und die Taufe nach Möglichkeit im Konfirmationsgottesdienst vollzogen wird.
Zur Bedeutung des Segens
Für viele Konfirmand/innen steht der Wunsch den Segen zu empfangen ganz oben bei den Motiven, sich konfirmieren zu lassen. Aber was heißt eigentlich “Segen”? Ist das etwas Magisches, mit dem wir Gottes Kraft für uns dienstbar machen und verhindern, dass uns Schicksalsschläge treffen? Oder ist es ein bloßer placeboartiger Zuspruch nach dem Motto: Kopf hoch, du schaffst das schon, wenn du nur willst?
Das deutsche Wort “Segen” kommt vom lateinischen “signare”, bezeichnen und meint die Bezeichnung mit dem Kreuz. Die Kraft des Kreuzes wird einem Menschen zugesprochen, die ursprüngliche Confirmatio in der Alten Kirche wurde wie heute noch in der katholischen Kirche vollzogen, indem mit Öl ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet wird.
Neulich war ich in einem Gottesdienst, bei dem “Bless the Lord” mit “Segne den Herrn” wiedergegeben wurde, was im Deutschen wenig Sinn macht. Das Englische erinnert uns aber an die Grundbedeutung von Segnen, die auch im Hebräischen mit dem selben Wort verbunden ist, der Wurzel brk: “Gutes aussagen über” und zwar nicht feststellend, sonder wirksam-performativ. Oft vergessen wird, dass Segen im Alten Testament und auch bei Jesus immer eine Kehrseite hat: den Fluch. Es gibt nicht nur Seligpreisungen, sondern auch Weheworte. Matthäus ist hat ganz modern, Segen only. Lukas bringt nach den Seligpreisungen vier Wehe-Worte, die es durchaus in sich haben (vgl. Lk. 6,24-26). Im Hintergrund steht der berühmte Tun-Ergehen-Zusammenhang. Was wir tun, hat Folgen. Wer Böses tut, darf nicht mit dem Segen Gottes rechnen.
Segen ist also durchaus nicht völlig voraussetzungslos. Es gibt Verhaltensweisen und Dinge, die Gott nicht segnen kann und will. Waffen zum Beispiel. Aber gut geschaffene Menschen will er immer segnen und sie mit seiner Kraft auf einen guten Weg bringen, unabhängig davon ob sie (schon) getauft sind oder nicht.
Die EKHN macht gerade passend zur Jahreslosung eine große Kampagne zum Thema Segen und schreibt ihre 1,7 Millionen Mitglieder direkt an (vgl. die Pressemeldung und die Kampagnenseite http://www.gluecksegen.de ). Reinschauen lohnt sich, es zeigt, wie aktuell das Thema Segen ist.
In der Schweiz ist es übrigens problemlos möglich, konfirmiert zu werden, ohne getauft zu sein. Deshalb zum Schluss eine kirchengeschichtlich vielleicht revolutionäre Frage: Wäre es nicht an der Zeit, die Konfirmationsvorbereitung ergebnisoffener zu gestalten und auch denen den Segen nicht vorzuenthalten, die sich (noch) nicht taufen lassen? Wäre es nicht ehrlicher, darum zu werben, dass Jugendliche sich darauf einlassen, das Geschenk der Taufe zu empfangen? Würden wir damit nicht der Bedeutung der Taufe und der Kraft des Segens besser gerecht?
Was heißt das aber dann für den zweiten Schwerpunkt jeder Konfirmation, das Bekenntnis? Michael Meyer-Blank hat hierzu einen sehr lesenswerten Aufsatz geschrieben, der online verfügbar ist: Konfirmation als Darstellung mündigen Christseins, http://www.rpi-loccum.de/material/aufsaetze/blkonf . Aber auch hier ließe sich weiterdenken. Mündigkeit ist ja nie etwas Abgeschlossenes genausowenig wie Bekenntnisse. Ehrlich geäußerte Zweifel können Gott näher sein als Lippenbekenntnisse, wie sie leider in manchen Konfirmationen immer noch aus Konfirmandenmund zu hören sind.
Ich bin mir dessen bewusst, dass ich hier weitreichende Thesen äußere, aber unter den Konfi-Referenten der EKD stehe ich hier nicht allein. Auf jeden Fall sollte es uns gelingen, hier als Kirche wieder sensibler zu werden für das, was wir bei jeder Konfirmation tun und von Jugendlichen erwarten. Möge Gott unser Tun und Lassen segnen und jede/n Konfirmand/in, der in dieser Kirchenjahreszeit die Hände aufgelegt bekommt!
P.S. Das Titelbild dieses Beitrags ist die Verpflichtung der Gemeinde für die beiden Jugendlichen, die sich segnen ließen, sie wurde feierlich gemeinsam gesprochen. Konfirmierendes Handeln der Gemeinde …
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