Heute greife ich eine Anregung von @Prediger_EF (https://kirche.social/@Prediger_EF/111504146327225607) auf und poste meine Predigt. “Wie wäre es, wenn wir in der #Fedikirche uns ein bisschen darüber austauschen, was #Advent in der christlichen Tradition bedeutet und uns heute zu sagen hat? Die Texte der evangelischen Perikopenreihe könnten dazu eine Anregung sein … Oder auch die katholische Lesereihe.”

Liebe Gemeinde,

irgendwann passiert es jedem Mal. Mist. Schlüssel vergessen, die Tür ist zu und sie aufzubrechen habe ich nicht die Mittel. Mir ging es so an einem Ewigkeitssonntag. Die Familie war verreist, ich habe am Sonntagmorgen noch etwas im Büro an der Predigt gemacht und in Gedanken die Tür zur Wohnung zugezogen. Mir dämmerte, das könnte ziemlich peinlich werden, denn ich hatte nur den Bademantel an. Ich weiß noch genau, wie ich alle Tricks versucht habe, mit der Scheckkarte die Tür zu öffnen. Keine Chance. Kein Durchkommen. Matthias Bauer hat mir dann aus der Patsche geholfen und mir einen Anzug ausgeliehen. Wie froh war ich über diese Seitentür, diesen kleinen Notausgang. Eine verschlossene Tür kann sehr nervig sein.

Kann auch Gott vor verschlossenen Türen stehen? Sind auch ihm manchmal Wege versperrt, womöglich sogar der Weg in sein eigenes Haus, in seinen Tempel, der extra für ihn gebaut wurde?

Diese Frage stellt sich der Adventspsalm, Ps. 24, der heute nach der neuen Predigttext-Ordnung zum ersten Mal dran ist.

Ps. 24 [1] VON DAVID, EIN PSALM.

Dem Herrn gehört die Erde mit allem, was sie erfüllt.

Ihm gehört das Festland mit seinen Bewohnern.

[2] Denn über dem Meer hat er die Erde verankert,

über den Fluten der Urzeit macht er sie fest.

[3] Wer darf hinaufziehen zum Berg des Herrn

und wer darf seinen heiligen Ort betreten?

[4] Jeder, der mit schuldlosen Händen

und ehrlichem Herzen dort erscheint!

Jeder, der keine Verlogenheit kennt

und keinen Meineid schwört.

[5] Wer das tut, wird Segen empfangen vom Herrn

und gerecht gesprochen von Gott, der ihm hilft.

[6] Dies ist die Generation, die nach ihm fragt:

Sie suchen dein Angesicht, Gott Jakobs. Sela.

[7] Ihr Tore des Tempels, seid hocherfreut!

Ihr Türen der Urzeit, öffnet euch weit!

Es kommt der König der Herrlichkeit!

[8] Wer ist der König der Herrlichkeit?

Es ist der Herr – er ist stark und mächtig!

Es ist der Herr – er ist machtvoll im Kampf!

[9] Ihr Tore des Tempels, seid hocherfreut!

Ihr Türen der Urzeit, öffnet euch weit!

Es kommt der König der Herrlichkeit!

[10] Wer ist der König der Herrlichkeit?

Es ist der Herr der himmlischen Heere.

Er ist der König der Herrlichkeit! Sela.

1. Wo wohnt Gott?

Schon immer haben sich Menschen gefragt: Wenn es diesen Gott gibt, wo ist er eigentlich? Man kann ihn nicht sehen, aber irgendwo muss er ja sein. Wo kann ich ihn finden? Wo wohnt er?

Viele denken heute: Gott findet man in der Kirche. Und wenn man ihn nicht mehr finden will, geht man eben nicht in die Kirche.

Aber so einfach ist es nicht. Wenn Gott, wie es im Psalm heißt, die Welt erschaffen hat, dann ist er ja überall zu finden – auch und gerade in der Schöpfung.

Früher dachte man, Gott wohnt in einem Tempel. Und tatsächlich hat Gott sich den Tempel in Jerusalem als einziges Heiligtum in Israel auserwählt, um seinen Namen der wohnen zu lassen. Um dort besonders gegenwärtig zu sein.

Die Bedeutung dieses Tempels für fromme Juden kann man kaum überschätzen. Drei Pilgerfeste gibt es im Jahr, an denen man wenn möglich nach Jerusalem zum Tempel pilgern sollte: Pessach, Schawuot und Sukkot. Zum Passahfest, zum Pfingstfest und zum Laubhüttenfest. Und dann war man mit einer großen Menge unterwegs und zog zum Tempel hinauf, um ihm dort zu opfern, um zu beten, um seine Gegenwart zu erleben.

Wo wohnt Gott? Wo kann ich ihn finden in dieser Adventszeit? Ich bin überzeugt davon, dass Gott da ist und die Welt regiert. Trotzdem muss ich mich immer wieder aufmachen, um ihn zu suchen und zu finden.

Der Tempel in Jerusalem wurde mehrfach zerstört. Zuletzt 70 n. Christus von den Römern. Und er wurde seitdem nicht mehr aufgebaut. Wie ist unser Verhältnis als Christen zu diesem Tempel, von dem in Ps. 24 die Rede ist und von dem heute nur noch die Westmauer steht, die man früher Klagemauer nannte?

Jesus deutet mehrfach an, dass seine Auferstehung den Tempel überflüssig macht:

Johannes 2 [18] Da fragten ihn die Vertreter der jüdischen Behörden: »Mit was für einem Zeichen kannst du uns beweisen,dass du so etwas tun darfst?« [19] Jesus antwortete: »Reißt diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufbauen.« [20] Da sagten die Juden: »An diesem Tempel hat man 46 Jahre lang gebaut. Und du willst ihn in drei Tagen wieder aufbauen?« [21] Jesus hatte aber mit dem Tempel seinen Leib gemeint.

Bei Jesus finden wir Gott heißt das doch. Und es gibt viele weitere Hinweise, dass wir nicht in Gebäuden Gott suchen sollen. Zwei weitere Spuren finden wir im Neuen Testament, was Tempel heute bedeutet: In 1. Petrus 2 lesen wir, dass Gott jeden Gläubigen einbaut in ein Haus aus lebendigen Steinen zu einem geistlichen Haus. Wir als Gemeinde sind also der Tempel Gottes, der Ort, wo wir und andere Menschen Gott finden können.

Und die dritte Spur: In 1. Kor. 6,19 lesen wir: [19] Wisst ihr das etwa nicht: Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes, der in euch wirkt. Gott hat ihn euch geschenkt! Nun gehört ihr nicht mehr euch selbst.

Da stutzt man im ersten Moment völlig zu recht. Was, mein vergänglicher Körper soll ein Tempel sein? Dieser Körper, der mir ständig Ärger macht. Der müde ist, Schmerzen hat, der nicht so schön aussieht, wie ich mir das wünschen würde. Der Pickel kennt und Haarausfall. Ein Tempel?

Ja, sagt Paulus: Gott schenkt dir, wenn du an ihn glaubst, seinen Heiligen Geist ins Herz. Er will in dir wohnen und dadurch wird dein Körper zu einem Tempel zur Ehre Gottes, mit dem du sorgsam umgehen sollst.

2. Die Einlassprüfung

Schauen wir noch einmal in unseren Adventspsalm. Im Gesangbuch wurde leider sehr viel weggelassen.

Denn bevor man zum Tempel hochsteigen durfte, gab es eine Art Einlasskontrolle so ähnlich wie vor dem Abendmahl die Beichte steht.

„Wer darf überhaupt diesen heiligen Ort des Tempels betreten?“ lesen wir in V. 3 und dann gibt es drei Antworten, drei Bedingungen in V. 4:

  • Jeder, der mit schuldlosen Händen und ehrlichem Herzen dort erscheint!

  • Jeder, der keine Verlogenheit kennt

  • jeder, der keinen Meineid schwört.

Besonders spannend finde ich die zweite Formulierung, die im Hebräischen sehr bildhaft ist: „Jeder, der seine Seele nicht zum Bösen getragen hat“, heißt es da wörtlich.

Wir mögen solche Bibeltexte nicht. Leichter geht uns über die Lippen: Jeder darf zu Gott kommen. Gott stellt keine Bedingungen. Aber ich glaube, dass sie gerade für uns wichtig sind, damit wir uns bewusst machen: Ohne Prüfung, ohne Reinigung, ohne Heiligung und ohne Vergebung können wir dem heiligen Gott nicht begegnen. Wenn wir diese Einlassprüfung überspringen, dann entheiligen wir Gott und machen ihn zum Erfüllungsgehilfen unserer Wünsche. Dann wird er zum Komplizen unserer Meineide und Lebenslügen. Dann instrumentalisieren wir ihn, um unsere Interessen zu verfolgen.

Und genau deshalb gibt es auch die Adventszeit, eine Bußzeit, die vor dem Weihnachtsfest kommt, wo wir Jesus feiern, der in die Welt kommt. Genau drei Wochen und einen Tag, so kurz wie nur möglich dieses Jahr, haben wir Zeit, uns vorzubereiten.

3. Machet die Tore weit

Aber jetzt wird es Zeit, die Tore hochzumachen. Nach der erfolgreich bestandenen Einlassprüfung geht es jetzt hinein in den Heiligen Tempelbezirk. Früher vermutlich in einer feierlichen Prozession hinter der Bundeslade her, die für Gottes Gegenwart stand.

Ich stelle mir vor, wie man dann auf die verschlossenen Tempeltore zu zog. Einer rief: „Ihr Tore der Urzeit, öffnet euch weit!“ Und geheimnisvoll wie von Geisterhand gingen plötzlich von innen die Tore her die Tore weit auf und die Menge der Gläubigen konnte einziehen, keinem geringeren folgend als dem „König der Herrlichkeit“ selbst: nämlich Gott.

Während man das erlebte, konnte man den Palast des menschlichen Königs sehen, der ebenfalls auf dem Zionsberg zu finden war. Aber der wahre König ist für Israel nur Gott allein! So wie auch wir uns von den irdischen Herrscherinnen und Herrschern nicht beeindrucken lassen sollten.

Übrigens lautete die Formulierung in V. 7 und 9 „Ihr Tore des Tempels seid hocherfreut“ wörtlich: „Hebt eure Häupter, ihr Tore“. Dahinter könnte die Vorstellung stecken, dass die Schwelle des Tores, durch das man einzieht, sich tatsächlich wunderbar nach oben heben sollen, weil Gott so groß ist, dass er durch menschengemachte Tore gar nicht hindurchpasst (Kommentar Klaus Seybold, Die Psalmen).

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es gibt wohl keine schönere Psalmennachdichtung im Gesangbuch als dieses Lied von Georg Weissel aus dem 17. Jahrhundert, es wurde ursprünglich für die Einweihung einer neuen Kirche in Königsberg am 2. Advent geschrieben. Und es gehört für mich mindestens so sehr zum Beginn der Adventszeit wie der Adventskranz. Weissel hat unseren Psalm 24 aufgegriffen und weitergedichtet. Er sagt: Entscheidend, ob es Weihnachten wird, sind am Ende die offenen Türen unserer Herzen:

5. Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
sei ewig Preis und Ehr.

Amen

Im Anschluss wurden von “Macht hoch die Tür” die Strophen 1-4 gesungen. Es lohnt sich diese nachzulesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Macht_hoch_die_T%C3%BCr

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Macht hoch die Tür – Adventspredigt zum 1. Advent zu Psalm 24
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