Der Jakobsweg ist legendär, sagenumwoben. Schon lange hat er mich gelockt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich den Klassiker von Hape Kerkeling “Ich bin dann mal weg” als Hörbuch gehört habe. Mit meiner ersten Gemeinde habe ich zahlreiche Tagesausflüge in der näheren Umgebung gemacht, zum Beispiel nach Winnenden oder Bebenhausen. Dann haben wir eine ökumenische Gemeindereise veranstaltet und sind viele Stationen mit dem Bus angefahren und habe die Messe in Santiago mit dem schwingenden Räucherfass erlebt. Aber ein richtiger Pilgerweg mit Schweiß und Tränen war das eben nicht.

Dieses Jahr hat nun endlich alles gepasst und ich war mit familiärer Begleitung über 240 Kilometer auf dem portugiesischen Jakobsweg von Porto bis Santiago unterwegs.

An- und Abreise

Ich hatte genug Zeit, deshalb wollte ich nicht fliegen. Dann nimmt man halt den Zug. Als ich auf der Seite der Deutschen Bahn (https://www.bahn.de) ein Ticket bis Porto buchen wollte, wurde mir kein Preis angezeigt, keine Online-Buchungsmöglichkeit. Europa, das solltest du besser können … Da schaue ich doch mal bei Flixbus, Ticket nach Porto hin und Ticket von Santiago zurück gebucht. Fertig. Sehr unkompliziert. Klar, die Fahrt hat dann schon ihre Länge mit Übernachtung im Bus. Aber irgendwie geht auch diese Zeit herum, auf der Rückfahrt konnte ich über das Bus-Wlan sogar live über Youtube den Gottesdienst meiner Gemeinde schauen, was will man mehr.

Packen

Im Vorfeld habe ich mir verschiedene Packlisten angeschaut (z. B. hier: https://www.jakobsweg.de/packliste/) . Grundsätzlich gilt: Weniger ist mehr. Empfohlen wird nicht mehr als 10% des Körpergewichts an Gepäck dabei zu haben. Natürlich kann man sich das Gepäck auch jeden Tag von einem Service transportieren lassen. Aber echte Pilger tun so etwas nicht, außer sie haben gesundheitliche Einschränkungen. Schließlich geht es beim Pilgern auch um Verzicht und das Erleben, mit wie wenig man doch sehr gut auskommen kann.

Aus meiner Erfahrung neben den üblichen Dingen unverzichtbar:

  • große Powerbank fürs Handy: Nicht in jeder Herberge hat man nachts am Bett eine Steckdose.
  • medizinisches Klebeband/Tape gegen Blasen
  • leichte Trinkflasche (1 Liter): Wenn man wie ich mit Leitungswasser zurechtkommt, reicht das völlig aus. Mehr Wasser tragen bedeutet nur mehr Gewicht. Auf dem Weg kann man immer wieder problemlos auffüllen in Cafés, an öffentlich Wasserspendern oder sogar an echten Quellen, die als trinkbar gekennzeichnet sind. Manches Wasser schmeckt allerdings leicht gechlort, da freut man sich dann sehr über Quellwasser, das teilweise auch von Einheimischen abgefüllt wird.

Blasen und was man dagegen tun kann

Leider bin ich sehr anfällig für Blasen an den Füßen. Deshalb habe ich mir im Vorfeld Hirschtalgcreme besorgt und meine Füße damit fleißig eingecremt. Ich bin schon zu Hause und auch im Urlaub viel gelaufen und hatte keine Probleme. Das hat aber leider nicht gereicht, als es dann richtig losging. Es ist halt ein Unterschied, ob man zehn Kilometer wandert oder mehrere Tage in Folge 25 Kilometer. Die große Mehrheit der Pilgernden hat Probleme mit den Füßen und ich musste zu Anfang des Gehens und nach jeder Pause irgendwann erst einmal die Schmerzen überwinden, die oft erst nach einem Kilometer erträglich wurden.

Während der Reise habe ich mich dann im Internet noch intensiver informiert. Tipps gibt es z. B. hier: https://www.bergzeit.de/magazin/blasen-vorbeugen-wie-entstehen-sie/.

Ein Punkt, den ich nicht bedacht hatte: Durch die lange Wanderung und die Hitze quellen die Füße mehr auf als üblich, deshalb sollten die Schuhe auf jeden Fall eine Nummer größer sein als bei harmloseren Touren.

Zum Glück hatte ich zwei Paar Wandersocken dabei. So habe ich mir angewöhnt, bei den Vesperpausen konsequent die Socken zu wechseln und die Trekking-Schuhe auslüften zu lassen. Denn Feuchtigkeit fördert die Blasenbildung sehr stark. Blasenpflaster haben ein wenig geholfen, Abkleben mit Tape ist sehr hilfreich, was man idealerweise machen sollte, bevor die Blasen sich bilden. Vor dem Aufstechen von Blasen wird wegen der Entzündungsgefahr gewarnt, ich habe trotzdem mit einer sterilen Spritze vorsichtig die Flüssigkeit herausgezogen.

Fatima

Weil ich vor Beginn des Jakobswegs noch ein paar Tag Zeit hatte, habe ich noch einen Abstecher nach Fatima gemacht. Seit ich zwei Semester in Rom studiert habe an der Fakultät der Waldenser und seit ich im katholischen Oberland Vikariat gemacht habe, hat mich der Katholizismus sehr interessiert und immer wieder auch fasziniert. So habe ich die Gelegenheit genutzt, mit meinem schon vorhandenen Pilgerausweis in der großen Pilgerherberge direkt neben dem großen Platz unterzukommen. Und tatsächlich war es sehr beeindrucken zu erleben, wie viele Menschen diesen Ort mit echter Frömmigkeit besuchen und sogar auf Knien um das Heiligtum herumkriechen, oft begleitet von ihren stehenden Angehörigen. Ich habe so oft an Rosenkranzgebeten teilgenommen, bis ich ihn fast auf portugiesisch mitsprechen konnte. Sehr beeindruckend war die Kerzenprozession nach Einbruch der Dunkelheit und auch an zwei Messen habe ich teilgenommen, eine davon am Sonntag auf dem großen Platz vor der Kirche.

Auch nach Fatima führt übrigens ein gut ausgeschilderter Pilgerweg. Man kann problemlos als Wanderer von Santiago aus dem blauen statt dem gelben Pfeil folgend über Porto nach Fatima wandern.

Apps

Zwei Apps haben sich bewährt, die beide sowohl den Weg mit Varianten (oft ist der Umweg schöner und führt mehr durch die Natur) gut zeigen als auch mögliche Unterkünfte auflisten. Die Buen Camino App und die Camino Ninja App (m. W. auch für iOS verfügbar). Allerdings sollte man sich von den Apps nicht verführen lassen, ständig nur aufs Handy zu starren, denn die Wegweiser sind in 99% der Fälle völlig ausreichend.

Geistlich pilgern

Wer das Pilgern auch geistlich ernst nehmen will, sollte sich eine digitale Bibel besorgen und regelmäßig darin lesen. Wir haben es uns zur Regel gemacht, jede geöffnete Kirche zu besuchen. Immer wieder haben wir dort auch eine Kerze angezündet. Meist gibt es dort auch einen Stempel für den Pilgerausweis. Leider kommt es in den letzten Jahren wohl vermehrt zu Vandalismus und die Stempel werden gestohlen, weshalb viele Kirchen am Wegesrand auch geschlossen sind.

Es ist ein alter Brauch, unterwegs Steine abzulegen. Immer wieder findet man kleinere und auch große Steinhaufen. Wer es ganz ernst nehmen will, kann einen Stein, der für eine konkrete Last steht, auch schon von zu Hause mitbringen und dann dort auf dem Weg ablegen. Die meisten Steine dürften aber vom Weg selbst stammen.

Besonders schön fand ich geistliche Angebote wie Pilgermessen. Nicht verpassen sollte man die Pilgermesse in Pontevedra in der wunderschönen Pilgerkirche Capela Virxe Peregrina. Ebenfalls sehr schön gemacht ist der Pilgersegen, den man im Rahmen einer Messe in Barcelos bekommt (täglich um 19 Uhr in der Kirche SantoAntónio). Die Pilger werden im Rahmen der Messe nach vorne gebeten, jeder bekommt ein Infoblatt mit der Übersetzung des Franziskus-Segens in die Hand. Im Anschluss wird dann ein Bild mit allen Pilgern gemacht. Wir sind dann anschließend mit neuen Leuten essen gegangen und haben so sehr interessante Menschen kennen gelernt.

Der krönende Abschluss des Pilgerns ist dann der Besuch der großen Kathedrale in Santiago, wo man eine Messe miterleben kann und – wenn man Glück hat – das Räucherfass schwingend erleben darf. Außerdem sollte man es nicht verpassen, im Altarraum der Kirche von hinten die Jakobusfigur zu berühren.

Die Route

Der Klassiker ist ja der französische Jakobsweg. Es gibt aber auf der iberischen Halbinsel noch viele andere und manche sammeln Jakobswege wie Briefmarken und gehen einen nach dem anderen ab. Eine Übersicht findet man bei Wikipedia. Der portugiesische Jakobsweg beginnt eigentlich in Lissabon, die meisten gehen ihn aber wie wir ab Porto. Am Anfang muss man sich entscheiden, ob man am Strand entlanggeht, wo man immer wieder Baden kann. Oder ob man den kürzeren und klassischen Zentralweg nimmt, wie wir es gemacht haben. Beide Wege sind gut ausgeschildert. Später gibt es dann noch eine Abzweigung für die spirituelle Variante, wo man dem historischen Weg des hl. Jakobus folgt. Hier findet man ganz gute Infos über die Varianten: https://jakobsweg-lebensweg.de/jakobsweg-laenge/camino-portugues/

Wir haben uns am 10-Tage-Plan orientiert und das auch geschafft. Alle Tagesetappen habe ich mit vielen Bildern auf Mastodon dokumentiert: https://bildung.social/deck/tags/MeinCaminoPortugues Das war für mich auch unterwegs schon ein hilfreiches Tagebuch, denn viel zu schnell vergisst man an welchem Ort man was erlebt hat.

Eine Variante finde ich auf jeden Fall sehr empfehlenswert und zwar die über Braga, wenn man genügend Zeit hat. Ich bin dort separat mit dem Bus hingefahren. Die Barock-Kirche Bom Jesus do Monte ist einfach wunderschön, siehe auch meine Bilder unten.

Übernachten und essen

Auf dem Weg gibt es überall Pilgerherbergen, Gastzimmer und Hotels auf verschiedenen Niveaus. Wir waren in der Regel in den günstigen öffentlichen Pilgerherbergen, wo man für 10-15 Euro in großen Schlafsälen übernachten kann. Dort lernt man sehr gut Leute kennen, vor allem jüngere. Oft gibt es eine Küche, wo man sich etwas kochen kann. Ein Vorbuchen war trotz der Hauptreisezeit nicht nötig. Wenn eine Herberge voll war, probiert man es einfach in der nächsten. Die Herbergen geben da gute Tipps, wo vermutlich noch Platz ist. Trotzdem buchen viele tageweise oder sogar für die ganze Reise vor. Der große Nachteil: Man muss sich dann an seinen Plan halten. Wenn man zu erschöpft ist, kann man sich nicht für eine kürzer Wegstrecke am nächsten Tag entscheiden. Wenn es einem besonders gefällt, kann man keinen Tag Pause machen. Wenn nette Mitpilger einen anderen Rhythmus haben, verliert man sie.

Fast überall gibt es günstige Restaurants, wo man für 12-14 Euro ein vollständiges leckeres Pilgermenü mit Wein und Dessert/Kaffee bekommt.

Begegnungen auf dem Weg

Ein besonderes Erlebnis sind tatsächlich die vielen Gespräche, die man auf dem Weg hat. An manchen geht man wortlos vorbei. Andere grüßt man knapp und ruft ihnen ein aufmunterndes “Bon Camino” zu. Bei anderen fragt man nach dem Tagesziel und wo jemand herkommt und schon ist man mitten in einem intensiven Gespräch, das oft erstaunlich offen ist. Man wird sich nach dem Jakobsweg kaum wiedersehen und kann so alles erzählen. Denn manche Menschen gehen den Jakobsweg durchaus, um eine Krise zu bewältigen und neu zu sich und zu Gott zu finden.

Schön war, dass wir Lauf der Zeit bestimmte Leute immer wieder getroffen, Handynummern oder Instagram-Accounts ausgetauscht hatten und uns so abends auch bei unterschiedlichen Quartieren zum Essen verabreden konnten.

Impressionen

Feedback

Welche Erfahrungen habt ihr auf dem Jakobsweg gemacht? Was würde euch daran mal reizen? Wie hat euch mein Bericht gefallen? Ich freue mich immer, wenn es hier unten auch ein paar Kommentare gibt …

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Der portugiesische Jakobsweg und Fatima
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