Einmal im Monat findet in Riederich bei Reutlingen ein familienfreundlicher Zweit-Gottesdienst mit buntem Programm und teilweise externen Predigern statt (http://www.kirche-riederich.de/familienfreundliche-gottesdienste/). In einem Vorbereitungstreffen haben wir uns gemeinsam überlegt, welche Schwerpunkte das Thema haben soll. In einer Aktion vor dem Gottesdienst durften Konfis und andere Social-Media-erfahrene Leute zeigen, wie Instagram und Co. funktionieren. Und am Ausgang gab es für jeden noch ein leckeres gebackenes Herz. Was mir besonders gefallen hat: Alle Kinder, die im Monat März Geburtstag haben oder schon hatten, durften nach vorn kommen, wurden gesegnet und durften sich aus einer Kiste ein kleines Geburtstagsgeschenk nehmen. Für die Kinder fand dann ein Extra-Programm statt.
Predigt über 1. Joh. 4,7-16
Liebe FFG-Gemeinde,
wer möchte nicht geliket werden? Beliebt sein und Anerkennung genießen? Wer kennt die TOP-Influencer in Deutschland? …. Schon mal was gehört von den Zwillingen Lisa und Lena, gerade mal 16 Jahre alt, auf Instagram haben sie über 11 Millionen Fans. Dann gibt es die Youtuberin Bibi mit ihrem BeautyPalace, und Dagi Bee mit Youtube-Tipps zu Mode und Kosmetik. Auch Gronkh hat es geschafft, berühmt zu werden. Und zwar mit Let‘s Play Videos, in denen Spiele wie Minecraft vorgestellt und durchgezockt werden. Vielleicht kennen manche den Nachrichtenkommentator LeFloid. Immerhin durfte er 2015 Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewen. (vgl. https://www.express.de/news/promi-und-show/bibi—shirin-und-co–die-10-erfolgreichsten-influencer-in-deutschland-27992730 und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_meistabonnierten_YouTube-Kan%C3%A4le_in_Deutschland ).
Längst nicht jeder will so bekannt und berühmt sein. Aber Kontakte will man schon haben. Wer in vielen WhatsApp-Gruppen drin ist, kann einfach besser mitreden. Wer viele Facebook-Freunde hat, ist normalerweise auch im echten Leben ein umgänglicher Typ, den viele nett finden.
Soziale Netzwerke haben angefangen, unser Leben radikal zu verändern. Das Privatleben genauso wie die Politik. Mit Instagram und Co. ist es viel leichter, mit seinen Freunden in Kontakt zu bleiben. Ich freue mich immer, wenn mein Patenkind ein Foto von mir liket. Dann weiß ich: Sie hat wenigstens kurz an mich gedacht. Meinen tausendsten Follower auf Twitter habe ich freundlich begrüßt, obwohl ich ihn gar nicht persönlich kenne. Es ist einfach ein gutes Gefühl, dass Leute das, was ich zu sagen habe, relevant finden. Ein Pfarrer wünscht sich schließlich immer Gehör zu finden und auch die Kirche denkt gerade heftig darüber nach, ob wir nicht mehr die digitalen Kanäle nutzen müssten, die gerade überall entstehen und immer mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Manche Menschen sind regelrecht süchtig nach Likes. Wir wissen aus der Hirnforschung, dass Likes wie eine Droge sein können. Sie verschaffen einen kurzen Moment des Glücksgefühls. Ich bin beliebt, ich habe etwas zu sagen. Meine Erlebnisse sind relevant und schön.
Aber es gibt auch eine Kehrseite. Viele Experten sagen, dass Social Media unglücklich macht und zu Vereinsamung führen kann. Warum wohl? Weil die meisten Leute immer nur die schönen Sachen teilen, wenn sie gerade im Urlaub sind, wenn sie Erfolge haben, eine besondere Konferenz besuchen, mit anderen Leuten unterwegs sind. Und meistens schaut man sich das an, wenn man gerade allein ist, nicht im Urlaub, krank im Bett liegt.
Jede kulturelle Neuerung hat Vor- und Nachteile, Sonnen- und Schattenseiten. Ich glaube, dass wir gerade lernen mit den Schattenseiten umzugehen. Manche Menschen machen in dieser Fastenzeit ganz bewusst Digtal Detox, eine digitale Entgiftungskur. Ähnlich wie beim Alkohol hilft das, zu sehen, ob man längst abhängig ist, ob die echten Kontakte tatsächlich leiden. Einen Versuch ist es wert. Ich mache das vielleicht nächstes Jahr 🙂
Wir Menschen sind angewiesen auf Likes, auf konkrete Zeichen der Liebe. Jede Umarmung, jeder freundliche Blick ist ein Like. Jedes kleine Geschenk, das die Freundschaft erhält, jeder Geburtstagsgruß von alten Freunden und weit entfernt wohnenden Verwandten. Und wie ist das mit Gottes Liebe? Wo spüren wir die?
Hören wir dazu den Predigttext aus dem 1. Johannesbrief Kapitel 4 (Basisbibel):
1. Joh. 4,7 Ihr Lieben,
wir wollen einander lieben.
Denn die Liebe kommt von Gott.
Und wer liebt,
hat Gott zum Vater und kennt ihn.
8 Wer nicht liebt,
kennt Gott nicht.
Denn Gott ist Liebe.
9 So ist Gottes Liebe bei uns sichtbar geworden:
Gott sandte seinen einzigen Sohn in die Welt,
damit wir durch ihn das Leben bekommen.
10 Die Liebe besteht nicht darin,
dass wir Gott geliebt haben,
sondern dass er uns geliebt hat.
Er hat seinen Sohn gesandt,
der für unsere Schuld sein Leben gegeben hat.
So hat er uns mit Gott versöhnt.
11 Ihr Lieben,
wenn Gott uns so sehr geliebt hat,
dann müssen auch wir einander lieben.
12 Niemand hat Gott jemals gesehen.
Aber wenn wir einander lieben,
ist Gott in uns gegenwärtig.
Dann hat seine Liebe
in uns ihr Ziel erreicht.
13 Gott hat uns Anteil gegeben an seinem Geist.
Daran merken wir,
dass wir in seiner Gegenwart leben
und er in uns gegenwärtig bleibt.
14 Außerdem haben wir es selbst gesehen
und bezeugen es:
Der Vater hat den Sohn als Retter in die Welt gesandt.
15 Wenn jemand bekennt:
»Jesus ist Gottes Sohn!«,
ist Gott in ihm gegenwärtig
und er lebt in Gottes Gegenwart.
16 Und wir haben die Liebe,
die Gott uns schenkt,
kennengelernt
und im Glauben angenommen.
Gott ist Liebe.
Und wer in der Liebe lebt,
lebt in Gottes Gegenwart
und Gott ist in ihm gegenwärtig.
Drei Punkte will ich herausgreifen:
1. Jesus ist Gottes sichtbares Like für uns Menschen
Zunächst einmal ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Gott uns liebt. Die Welt könnte auch durch blinden Zufall entstanden sein. Oder es gibt einen sadistischen Gott, der ein großes Experiment veranstaltet und genussvoll zuschaut, ob die Menschen die Erde in ein Paradies umwandeln oder sie sich gegenseitig zur Hölle machen.
Die Liebe kommt von Gott, sagt Johannes. Er liebt jeden Menschen, er wollte, dass es dich und mich gibt und dass es mir gut geht. Dass ich ein erfülltes, glückliches Leben habe, in dem ich seine Liebe erfahre. Und wie wird das konkret? Johannes sagt: Durch Jesus, den Sohn Gottes. Er kam sichtbar in die Welt, um uns die Liebe Gottes, des Vaters nahe zu bringen. Diese Liebe ist so groß, dass sie sogar mit unseren Fehlern und Schwächen fertig wird. Nicht, indem sie einfach darüber hinwegsieht. Sondern indem Jesus am Kreuz sein Leben für uns gegeben hat. Jesus ist nicht gescheitert mit seiner Botschaft der Liebe. Durch das Wunder der Auferstehung hat Gott eindrücklich bestätigt, dass Liebe allen Hass überwinden kann.
2. Christen sind Teil einer großen Like-Community
Alle reden heute von Filter-Blasen und Echokammern. Menschen gehen gern dorthin, wo sie Bestätigung finden. Wie ist das bei uns Christen? Wie sehen unsere Gemeinden aus? Herrscht da ein Klima der Liebe und Herzlichkeit? Der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung? Manchmal staune ich schon, dass man von Glaubensgeschwistern kaum begrüßt wird, wenn man sich neben ihnen auf einer Kirchenbank niederlässt. Ich finde diesen familienfreundlichen Gottesdienst hier in Riederich einen wunderbaren Experimentierraum für mehr Nähe und Freundlichkeit, der sicher auch auf viele andere Veranstaltungen ausstrahlt.
„Wenn Gott uns so sehr geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben“, sagt Johannes. Das ist nicht nur eine Erwartung, die wir an die anderen haben dürfen. Das ist eine Verpflichtung für jede und jeden einzelnen. Wir müssen einander lieben, sonst haben wir das mit Gott nicht verstanden. Wenn Gott Liebe ist, dann können uns unsere Schwestern und Brüder nicht egal sein.
Und diese Liebe braucht konkrete Ausdrucksformen. Miteinander essen zum Beispiel. Liebe geht durch den Magen. Das ist gut urchristlich. Schließlich haben die ersten Christen zusätzlich zum Abendmahl immer auch miteinander gegessen.
Diakonie gehört dazu. Konkrete Unterstützung, wenn jemand schwach und krank ist. Nächstenliebe im Alltag. Leider droht auch das ein wenig zu verschwinden, dass man sich gegenseitig besucht, etwa wenn jemand im Krankenhaus ist. Es ist leicht geworden, mit einer WhatsApp gute Besserung zu wünschen oder auf einen Facebook-Post „Muss leider für zwei Wochen ins Krankenhaus“ mit einer kurzen Bemerkung zu reagieren „Werd bald wieder gesund“. Ich habe aber schon das Gefühl, dass intensive Anteilnahme seltener geworden ist. Der moderne Individualismus erwartet von uns, dass wir irgendwie allein durchs Leben kommen. Wir Christen als Like-Community können hier einen Gegenakzent setzen.
Spannend ist auch ein Phänomen, das wir beim Vorbereitungstreffen angesprochen haben: Wie verändert sich eigentlich die Liebe und die Beziehung zwischen zwei Partnern durch die neuen digitalen Möglichkeiten? Man sieht ja auf Plakaten immer diese Single-Werbung und kann sich gar nicht vorstellen, dass die dort abgebildeten keinen Partner finden, so gut sehen die aus. Angeblich hat schon jeder fünfte Bundesbürger seinen aktuellen Partner im Internet kennen gelernt (vgl. https://www.parship.de/presse/pressemeldungen/2018/deutschlands-single-studie-single-gesellschaft-168-millionen-alleinstehende-leben-in-deutschland/ ). Wie Pfarrer Braun erzählt hat, ist dieser Trend auch bei kirchlichen Trauungen deutlich zu erkennen. Es ist normal geworden, sich über das Internet zu präsentieren und passende Partner vorzusortieren. Warum auch nicht? Trotzdem gibt es auch da Nebeneffekte. Wenn ich im normalen Leben einen Partner kennen lerne, der zu mir passt, ist das ein Glücksfall. Da muss ich zugreifen. Die nächste Traumfrau wartet nicht um die Ecke. Prince Charming ist eine bedrohte Art. Anders im Internet: Gefühlt ist die Auswahl unendlich und die Kriterien können viel detaillierter angegeben werden. Wenn die Partnerin, mit der ich ein Date habe nur zu 97% passt, suche ich halt weiter bis ich eine finde, die zu 98% Übereinstimmung mit meinem Beuteschema hat.
Liebe per Algorithmus. Der Trend geht klar in diese Richtung, aber vergessen wir nicht die Schattenseite: Wenn ich durch das Raster falle, wird es schwer für mich. Und selbst in einer Partnerbörse beliebt zu sein heißt noch lange nicht, dass ich dann auch jemand finde, der mich wirklich liebt.
Kommen wir zum letzten Punkt, der sich auf den Schluss des Predigttextes bezieht. Dort steht:
Gott ist Liebe.
Und wer in der Liebe lebt,
lebt in Gottes Gegenwart
und Gott ist in ihm gegenwärtig.
Für unser Thema könnte das bedeuten:
3. Wer den liebenden Gott im Herzen trägt, braucht keine krampfhafte Selbstdarstellung
Wir Menschen sind angewiesen auf Liebe. Auf die unserer Eltern, durch deren Liebe wir entstanden sind. Auf die Liebe und Freundlichkeit unserer Mitmenschen. Aber erst recht auf die Liebe Gottes, durch die wir geschaffen wurden. Gott ist Liebe, sagt Johannes. Das ist sein Wesen. Ihm ist es nicht egal, wie es uns geht. Er will unser Bestes. Er will mit uns in Beziehung sein. Und wenn wir in der Liebe leben, ist er selbst in uns gegenwärtig. Eine starke Aussage. Gott lebt durch die Liebe in uns. Er befähigt uns zu wahrer Liebe, die nicht gleich gekränkt ist, wenn wir nicht zurück geliebt werden und selbst Likes und Anerkennung bekommen.
Die große Gefahr unserer neuen Like-Kultur ist nämlich, dass wir unseren Selbstwert davon ableiten, wie viel zählbare Likes wir bekommen. Und dieser Wettbewerb ist fast nicht zu gewinnen. Da stehen nur wenige oben. Fast alle anderen schauen neidisch zu, wie beliebt der oder die schon wieder ist und was für ein interessantes Leben die führt. Manche Psychologen vermuten schon, dass diese Kultur uns verändert, uns immer narzisstischer macht, weil wir immer mehr gezwungen sind uns selbst darzustellen, um geliebt zu werden.
Wenn Gottes Liebe in uns lebt und wirkt, macht uns das unabhängig vom Applaus der anderen. Dann können wir uns im Glauben Kraft und Mut holen für den nächsten Schritt. Dann merken wir, dass es gut tut, anderen zu helfen und ihnen die Liebe Gottes weiterzugeben. Denn Liebe ist das einzige, was wächst, wenn man sie teilt.
Es ist nicht unsere Liebe, die die Welt verändert, sondern Gottes Liebe. Wir sind unvollkommen, haben alle unsere Macken und Narben in der Seele. Aber Gottes Liebe wirkt durch uns hindurch wie die Sonne durch ein trübes Kirchenfenster scheint und so bunte Farben entstehen. Gott setzt unter unser unperfektes Leben sein großes Like. Das ist Gnade und Liebe, die nicht berechnend ist. Was wollen wir eigentlich mehr? Amen
Lied: Du bleibst an meiner Seite
Fürbitten
Herr, unser Gott, wir danken dir, dass du uns unendlich liebst. Jeden von uns. Du wolltest, dass es uns gibt. Wir bitten dich: Lass uns deine Liebe im Alltag nie vergessen. Wenn wir unsere Grenzen spüren, wenn das Böse Besitz von uns ergreifen will, wenn wir zu wenig Kraft zum Guten in uns spüren. Gib uns deine Liebe in unser Herz.
Herr, unser Gott, wir bitten dich für alle, die im Leben wenig Anerkennung bekommen, die sich ausgegrenzt fühlen, die sich von den Möglichkeiten der Digitalisierung ausgeschlossen fühlen. Lass sie erfahren, dass ihr Leben wertvoll ist bei dir, lass ihnen Menschen begegnen, die sich wirklich um sie kümmern.
Herr, unser Gott, wir bitten dich für unser Land. Wir bitten dich für alle, die politisch Verantwortung tragen. Lass sie das Wohl der Menschen im Blick haben und nicht ihre eigene Karriere. Wir bitten dich um Frieden in den Krisenregionen dieser Welt, besonders in Syrien, wo es weiter so viele Opfer gibt. Herr, erbarme du dich!
Herr, unser Gott, wir bitten dich für unsere Gemeinde. Lass sie ein Ort sein, an dem deine Liebe erfahrbar ist. An dem Menschen achtsam miteinander umgehen und sich gegenseitig Mut zusprechen. An dem Glaube nicht nur besprochen, sondern auch gelebt wird. Amen.
Ablauf/Lieder
Vorspiel |
Begrüßung |
1.Lied: Anker in der Zeit |
Zum Thema |
2. Lied: Gottes Liebe ist so wunderbar |
Vorstellung / Interview |
3. Lied: Jahreslosung |
Kindergeburtstage |
4. Lied: Ich bin sicher an der Hand des Vaters |
Gebet |
Aktivität: Kleingruppen, Konfirmanden erklären soziale Netzwerke |
5.Lied: Trägst du mich Herr |
Predigt |
6. Lied: Du bleibst an meiner Seite |
Fürbitten |
7. Lied: Vaterunserlied: Bist zu uns wie ein Vater |
Segen |
Bekanntgaben |
Nachspiel |
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