Wenn Konfis und Jugendliche an Kirche denken, haben sie vor ihrem inneren Auge meist zuerst ein Kirchen-Gebäude. Steine, die eher tot als lebendig wirken. Innen Temperaturen, bei denen man leicht fröstelt.
Wenn Reformatoren über die Kirche reden, dann meinen sie die Kirche als ein Gebilde aus “lebendigen Steinen” (1. Petr. 2,5). Sie reden von der unsichtbaren Kirche, die durch Gottes Geist ständig erneuert wird.
Kirche als Institution, als “Landes”-Kirche ist gerade in einem Umbauprozess, der oft als Abbau verstanden wird. Da werden Konfi-Gruppen kleiner. Da sollen sich Gemeinden zusammenschließen, weil sie kleiner werden, und haben doch keine rechte Lust dazu. Da wandeln sich die großen Kirchen in Mikroschritten, aber doch merklich von einer Volkskirche zu einer Minderheits- und Freiwilligkeitskirche.
Äußerst inspirierend war ein Impuls von Florian Sobetzko bei unserem Referentenkonvent des Evangelischen Bildungszentrums Württemberg (siehe meine Sketchnotes oben). Er hat selbst “gegründet”, nämlich eine Jugend- und Hauskirche namens kafarna:um (vgl. http://www.kafarnaum.de/unsere-geschichte/ekklesiopreneure-und-elektrotechniker/). Und er überträgt – durchaus ziemlich reflektiert, aber auch gewöhnungsbedürftig – das Gründervokabular aus der Wirtschaft auf kirchliche Verhältnisse.
Eines der schönen Bilder von ihm ist die Gastfreundschaft am offenen Kühlschrank. Wenn Menschen ein Essen planen, gibt es zwei Strategien:
- Man wälzt Rezeptbücher, schreibt die Zutaten heraus, schaut, was noch im Kühlschrank ist, und geht dann einkaufen. Die Gründungsstrategie entsteht quasi am Reißbrett. Anschließend werden Ressourcen organisiert.
- Man hat Hunger, will etwas Schönes kochen, schaut im Kühlschrank, was da ist, und improvisiert dann. Ganze Kochshows leben von diesem Konzept. Ich gebe gern zu, dass ich Anhänger von Strategie 2 bin, die idealerweise dadurch ergänzt wird, dass man Freunde einlädt, die auch alle mitbringen, was sie im Kühlschrank haben. Eigentlich ein ziemlich urchristliches Prinzip, das heute als Potluck-Essen oder Mitbring-Büffet von vielen Gemeinden erfolgreich praktiziert wird. Und viele erfolgreiche Gründer*innen folgen genau dieser Strategie. Schauen, was da ist, und daraus etwas machen. Die fehlenden Ressourcen kommen mit der Zeit von alleine dazu.
Kirche – ein immerwährender Gründungsprozess
Mir ist von dem Vortrag dieser Bibelvers im Sinn geblieben, der schön zeigt, dass trotz alle Gründer- und Unternehmer-Rhetorik letztlich nicht wir sind, die (neu) gründen, sondern Gott.
“Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?” (Jesaja 43,19 – Jahreslosung 2007)
Aber es ist Gottes Gründergeist, für den wir offen sein sollen. Und der ist nicht strukturkonservativ, sondern innovativ und überraschend. Übrigens glaube ich, dass jede Konfi-Gruppe eine riesige Chance für Gründer ist. Als “Kirche auf Zeit” haben wir hier ein wunderbares Experimentierfeld, mit jungen Menschen die gute alte Botschaft ganz neu zu entdecken und zu leben.
(Impuls für den Beirat Konfi-Arbeit Württemberg, passendes Lied: Kanon von Hans-Joachim Eißler, “Siehe, ich will ein Neues schaffen” in: Das Liederbuch, glauben, leben, lieben, hoffen Nr. 224 )
Weiterlesen
- https://www.gruenderhandbuch-seelsorge.de/produkt/ecclesiopreneurship-canvas-skalierbar/ und http://www.futur2.org/article/die-ecclesiopreneurship-canvas/ Die Ecclesiopreneurship Canvas, ein Planungstool für neue Ideen und Formate. (Direkter Link zur Canvas https://www.gruenderhandbuch-seelsorge.de/wp-content/uploads/2017/07/canvas.png):
- https://www.gruenderszene.de/ Magazin mit anregenden Artikeln über erfolgreiche und scheiternde “weltliche” Startups
- https://www.freshexpressions.de/ das Netzwerk der “fresh expressions”
- https://www.gruenderhandbuch-seelsorge.de Das Gründerhandbuch für pastorale Seelsorge
- www.sobetzko.de Persönliche Homepage von Florian Sobetzko (am 18.7.18 leider down …)
Was meint ihr zum “Gründeransatz”? Ist das nur eine neue Variante des Burnout-Programms “Wachsen gegen den Trend” oder ein Ansatz, der Schule machen sollte? Ich freue mich auf Eure Meinung in den Kommentaren.
Noch bis nächsten Dienstag (31.07) kann man seine Speisewünsche einfach äußern und dafür sogar noch etwas gewinnen. Heißt bei uns “Struktur it yourself”.
Im württembergischen Strukturprojekt “Kirchliche Strukturen 2024Plus” wählen wir Strategie 1+. Wir schauen, was im Kühlschrank ist (es soll ja auch nichts umkommen). Dann fragen wir alle Mitesser, was sie den gerne essen wollen, was sie vielleicht beisteuern können und ob sie noch jemanden wissen, der auch mitessen will. Daraus basteln wir dann einen Kochplan, der hoffentlich immer noch genug Platz für Spaß und Spontaneität übrig lässt. https://www.2024-plus.de
Das klingt vielverspechend und führt hoffentlich zu einem schmackhaften Mahl.